Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition)
eine drückende Last von ihm genommen. So bedrückend wäre es auch jetzt zu Hause: ernste Gesichter, Tränen und die Priester, die ihm eine Kerze reichten, auf dass er damit um den Sarg herumginge, während sie ihre Gesänge abhielten. Das hatte er damals als Kind tun müssen, und er hatte es schrecklich gefunden. Alric war froh, dass er nicht dort war, nicht in diesem Meer von Trauer ertrank, einer Trauer, die er nicht wirklich fühlen konnte. Morgen würde er sich all dem stellen, aber heute war er erst einmal dankbar dafür, auf einer weit entfernten Straße zu sein und niemandWichtigen um sich zu haben.
Royce zügelte sein Pferd. Sie waren allein, da die Stute, die ja zwei Mann tragen musste, etwas hinterher zockelte.
»Warum halten wir an?«, fragte Alric.
»Das Gelände wird flacher, also sind wir wahrscheinlich bald da. Habt Ihr vergessen, dass dies eine Falle sein könnte?«
»Nein«, sagte der Prinz. »Das ist mir sehr wohl bewusst.«
»Gut, in diesem Fall lebt wohl, Majestät«, verkündete Royce.
Alric war wie vor den Kopf geschlagen. »Ihr kommt nicht mit?«
»Eure Schwester hat nur verlangt, dass wir Euch hierherbringen. Wenn Ihr Euer Leben aufs Spiel setzen wollt, ist das Eure Sache. Unsere Verpflichtung ist erfüllt.«
Plötzlich erschien es Alric unglaublich töricht, dass er es eben noch so genossen hatte, allein mit diesen Fremden unterwegs zu sein. Wenn er seine beiden Führer verlor, würde er nie nach Hause zurückfinden. Er überlegte nur kurz, ehe er sagte: »Dann ist das wohl der Zeitpunkt, euch mitzuteilen, dass ich dich und Hadrian, jetzt, da ich sicher bin, dass ihr mir nicht nach dem Leben trachtet, offiziell zu königlichen Protektoren ernenne. Ihr seid ab jetzt dafür zuständig, das Leben eures Königs zu schützen.«
»Tatsächlich? Wie fürsorglich von Euch, Hoheit.« Royce grinste. »Dann ist das wohl auch der geeignete Zeitpunkt, Euch mitzuteilen, dass ich keinem König diene – es sei denn, er bezahlt mich.«
»Ach?« Alric lächelte etwas gezwungen. »Nun, gut, dann seht es einmal so. Wenn ich lebend nach Schloss Essendon zurückkehre, werde ich gerne den Hinrichtungsbefehl gegen euch aufheben und euch das unbefugte Eindringen in mein Schloss verzeihen. Wenn ich hingegen hier draußen sterbe oder gefangen genommen und in dieses Gefängnis gesperrtwerde, könnt ihr nie mehr nach Medford zurückkehren. Mein Onkel hat euch ja als Mörder der schlimmsten Kategorie eingestuft. Ich bin sicher, man sucht euch bereits. Onkel Percy mag ja wie ein kultivierter alter Edelmann wirken, aber glaubt mir, ich habe seine dunklen Seiten erlebt, und er kann wirklich sehr furchterregend sein. Er ist der beste Schwertkämpfer von Melengar, wusstet ihr das? Wenn der Appell an eure Königstreue nicht ausreicht, um euch umzustimmen, solltet ihr vielleicht an den praktischen Nutzen denken, den es für euch hat, mein Leben zu schützen.«
»Andere überzeugen zu können, dass ihr Leben weniger wiegt als das eigene, ist wohl Grundvoraussetzung für eine Karriere als König.«
»Grundvoraussetzung nicht, aber es hilft«, antwortete Alric grinsend.
»Kosten wird es Euch trotzdem etwas«, sagte Royce, und das Grinsen des Prinzen verschwand. »Sagen wir, hundert Goldtaler.«
»Hundert?«, protestierte Alric.
»Glaubt Ihr, Euer Leben sei so viel nicht wert? Außerdem ist das die Summe, die uns DeWitt versprochen hat, also ist es wohl nur recht und billig. Und noch etwas: Wenn wir Eure Beschützer sein sollen, müsst Ihr tun, was ich sage. Sonst kann ich nicht für Eure Sicherheit garantieren, und da es hier nicht nur um Euer lächerliches kleines Leben geht, sondern auch um meine Zukunft, muss ich darauf bestehen.«
Alric schnaubte empört. Es passte ihm nicht, wie ihn die beiden behandelten. Sie sollten es als Ehre betrachten, seinen Wünschen nachkommen zu dürfen. Außerdem bot er ihnen Pardon für schwerwiegende Verbrechen an, und anstatt dankbar zu sein, forderte dieser Mann auch noch Geld. Genau die Art Verhalten, die man von Dieben erwartete! Trotzdem – erbrauchte sie. »Wie alle guten Herrscher sehe ich ein, dass es Situationen gibt, in denen man auf fähige Ratgeber hören muss. Aber bedenkt, wer ich bin und wer ich sein werde, sobald wir wieder in Medford sind.«
Als Hadrian und Myron zu ihnen aufschlossen, sagte Royce: »Hadrian, wir sind eben zu königlichen Protektoren befördert worden.«
»Heißt das mehr Geld?«
»Ja. Und es heißt auch, weniger schleppen zu müssen. Gib
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