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Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition)

Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition)

Titel: Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael J. Sullivan
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auf, sich hin und her zu drehen. Eine ganze Weile saß er hinter Hadrian, ohne sich zu bewegen. »Myron, alles in Ordnung da hinten?«, fragte Hadrian.
    »Hmm? O ja, sicher. Ich habe nur beobachtet, wie die Pferde gehen. Das tue ich schon die letzten paar Meilen. Faszinierende Tiere. Ihre Hinterfüße scheinen genau auf die Stellen zu treten, die die Vorderfüße eben verlassen haben. Obwohl – ich glaube, man nennt das nicht Füße, oder? Hufe! Genau! Das sind Hufe! Enylina in der alten Sprache.«
    »Alte Sprache?«
    »Die Sprache der Imperiumszeit. Die können heute nur noch wenige Leute außerhalb des Klerus. Sie ist so eine Art tote Sprache. Selbst in der Imperiumszeit wurde sie nur im Gottesdienst gebraucht, aber auch das ist heute aus der Mode, und niemand schreibt mehr in der alten Sprache.«
    Hadrian fühlte Myrons Kopf an seinen Rücken sinken, und während des ganzen restlichen Ritts gab er acht, dass Myron nicht einschlief und vom Pferd fiel.
    ***
    Sie bogen vom Seeufer ab und folgten einem breiten Hohlweg, dessen Wände immer felsiger wurden, je höher sie kamen. Für Alric war jetzt erst recht offensichtlich, dass dies einst eine Straße gewesen war. Der Weg war zu gleichförmig, um rein natürlichen Ursprungs zu sein, wenn auch im Laufe der Zeit Steinbrocken von den Schluchtwänden herabgestürzt waren und sich Spalten und Risse gebildet hatten, in denen Unkraut wuchs. Die Jahrhunderte hatten ihren Tributgefordert, aber Alric spürte noch immer den Hauch von etwas Uraltem, Vergessenem.
    Trotz der Kälte, des immer wieder einsetzenden Regens und der seltsamen Umstände, die ihn hergeführt hatten, war Alric nicht annähernd so schlecht gelaunt, wie er tat. Dieser Ritt tat ihm auf seltsame Weise gut. Noch nie war der Prinz bei so unfreundlichem Wetter unter so primitiven Umständen gereist, und es faszinierte ihn allein schon durch diese Neuheit. Die tiefe Stille, das gedämpfte Licht, das rhythmische Klipp-Klapp der Pferdehufe, das alles versprach eine Art von Abenteuer, die er noch nie erlebt hatte. Selbst seine gewagtesten Eskapaden waren stets von Bediensteten organisiert und betreut worden. Er war noch nie auf sich allein gestellt, noch nie wirklichen Gefahren ausgesetzt gewesen.
    Als er in dem Boot zu sich gekommen war, hatte er vor Wut geschäumt. So respektlos hatte ihn noch nie jemand behandelt. Ein Mitglied der königlichen Familie zu schlagen wurde mit dem Tode bestraft, deshalb vermieden es die meisten Leute, ihn überhaupt zu berühren. Verschnürt zu werden wie ein Tier war eine ganz und gar unfassbare Demütigung. Er war keinen Moment lang auf die Idee gekommen, dass ihm etwas Schlimmes passieren könnte. Er war überzeugt gewesen, dass er jeden Moment gerettet würde. Doch die Chancen waren rapide geschwunden, als sie auf dem Weg zum Windermere-See immer tiefer in die Wälder geritten waren.
    Er hatte es ernst gemeint, als er gesagt hatte, dass das die schlimmste Nacht seines Lebens gewesen sei, doch dann am Morgen, als das Wetter besser geworden war und er warme Kartoffeln in den Magen bekommen hatte, hatte sich in ihm plötzlich ein Gefühl ausgebreitet, das er nur als eine neue Art von Energie bezeichnen konnte. Das Unterfangen, diesesmysteriöse Gefängnis und seinen angeblichen Insassen auzusuchen, schmeckte nach echtem Abenteuer. Vor allem aber nahm es seine Gedanken vollständig ein. Er war ganz darauf konzentriert, am Leben zu bleiben und einem Mörder auf die Spur zu kommen, und so hatte er keine Gelegenheit, über den Tod seines Vaters nachzudenken.
    Gelegentlich allerdings, wenn längere Zeit Schweigen herrschte, wanderten seine Gedanken dennoch zu den Ereignissen im königlichen Schlafgemach zurück: Er sah wieder das bleiche Gesicht seines Vaters vor sich, die winzige Spur von getrocknetem Blut im Mundwinkel. Alric erwartete, dass ihn irgendeine Art von Gefühl überkäme, dass er in Tränen ausbrechen würde – aber nichts dergleichen geschah. Er fühlte gar nichts und fragte sich, was das zu bedeuten hatte.
    Zu Hause im Schloss trugen jetzt sicherlich alle Schwarz, und die Hallen und Gänge waren erfüllt von Wehklagen und Schluchzen – wie vor Jahren beim Tod seiner Mutter. Keine Musik, kein Lachen, damals war es ihm vorgekommen, als ob über einen Monat die Sonne nicht geschienen hätte. Am Ende der Trauerzeit war er erleichtert, ja fast schon froh gewesen. Ein Teil von ihm hatte deswegen Schuldgefühle gehabt, aber es war ihm dennoch vorgekommen, als hätte jemand

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