Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)
Mond den weiblichen Pol vertritt. In den meisten Sprachen (außer im Deutschen) ist Sonne männlich und Mond weiblich. Im Horoskop kann man Sonne und Mond verstehen wie Vater und Mutter der Planetenfamilie; sie stehen für die inneren Eltern, die auch die Wahrnehmung der äußeren Eltern beeinflussen. Der innere König, die innere Königin, die Tag-und die Nachtseite, stehen auch für die bewusste und die unbewusste Seite unseres Wesens.
Gleich, ob Mann oder Frau: Mond steht für die innere Göttin, das innere Mutterbild. Einem Erwachsenen kann der Mond, egal in welchem Zeichen er steht, zeigen, welches sein Weg zur Liebe ist, und zwar auf der Ebene von Seelennahrung, nicht von Sexualität (dafür sind streng genommen Mars und Venus zuständig). Die Frage »Welches ist meine Definition von Liebe, Vertrauen, Nähe, von Zuhause?« beantwortet sich aus dem Mondstand; ein Widder-Mond wird eine andere Antwort für sich finden als ein Wassermann-oder Krebs-Mond. Außerdem ist hier die Häuserposition des Mondes von Bedeutung. Sie zeigt den Lebensbereich an, der für mich Heimat bedeuten kann.
Die Mondebene ist immer, in jedem Alter, die des inneren Kindes. Wie es gehen kann, die Wunden des verletzten Kindes in uns zu heilen, als erwachsener Mensch eine glückliche Kindheit zu haben, den inneren kleinen Jungen, das innere kleine Mädchen gut zu versorgen, erzählt der Mondstand.
Dies ist ein heikles Thema, weil wir alle die lange Zeit von Abhängigkeit und Bedürftigkeit der Kindheit hinter uns haben. Kein Tierkind ist so lange von der leiblichen Mutter abhängig wie wir Menschenkinder. Adolf Portmann sagte, der Mensch sei eine physiologische Frühgeburt. Die Erinnerung an die langen Jahre, während derer die Liebe und Fürsorge unserer Mutter für uns lebensnotwendig waren, gehört zur Mondwelt. Sich als erwachsener Mensch auf dieses Mond-Kind einzulassen bedeutet oft, alte Ängste, alte Verletzungen, alte Einsamkeit, Trauer, ohnmächtige Wut wieder wachzurufen. An diesem Punkt werden wir vor allem das Thema Abhängigkeit und Bedürftigkeit erleben, das »Ich brauche dich«, wie es in der Kindheit Realität war.
Hier sind zwei verschiedene Haltungen zu unterscheiden, die Erich Fromm in seinem Buch Die Kunst des Liebens in zwei sehr aussagekräftigen Sätzen formuliert hat: »Ich liebe dich, weil ich dich brauche« und: »Ich brauche dich, weil ich dich liebe«. Für einen Erwachsenen, der freundschaftlichen Bezug zu seiner Mondwelt pflegt, ist das Bekenntnis zu dem Satz »Ich brauche dich, weil ich dich liebe« ein wichtiger Schritt. Sich auch als Erwachsener dazu zu bekennen, dass man Seelennahrung, Liebesenergie zum Leben braucht – und das nicht aus der Haltung des hilflosen Kindes heraus – bedeutet, auch als Erwachsener eine glückliche Kindheit zu haben, das innere Kind mitleben zu lassen.
Eine interessante Frage in diesem Zusammenhang lautet: Was ist eigentlich eine gute Mutter? Mond kann ja wie jeder Planet in allen zwölf Zeichen stehen. Er bekommt durch den Stand in den zwölf Tierkreiszeichen zwölf verschiedene energetische Färbungen, zwölf Gesichter, und das ergibt zwölf Gesichter der großen Göttin, des Mütterlichen, zwölf Sorten von Muttermilch. Diese Muttermilch, diese spezifische Art von Seelennahrung, schmeckt natürlich nicht jedem gleich; sie ist nicht für jedes Kind gleich gut bekömmlich. Die Geschmäcker sind bekanntlich verschieden.
Folgende Geschichte veranschaulicht vielleicht, wie solche Dramen auf der Beziehungsebene Mutter-Kind aussehen können: Einmal kam eine junge Mutter zur Beratung zu mir und erzählte mir, ihre Mutter sei immer sehr besitzergreifend gewesen, und sie habe sich von ihr erstickt gefühlt. Astrologisch war diese Reaktion durch den Wassermann-Mond der Frau erklärbar. Das Luftzeichen Wassermann hat sehr stark mit der Symbolik des Vogels, mit der Sehnsucht nach Freiheit und Leichtigkeit zu tun. Die Mutter dieser Frau hatte hingegen Stier-Mond, war eine klassische Erdfrau mit Kuh-Mütterlichkeit. Von dieser verwöhnenden, versorgenden Urmutter hatte sich das Kind erdrückt gefühlt. Sie hasste Buttercremetorte, hatte als Jugendliche jahrelang Bulimie. Der Grund, warum sie in die Beratung kam, war, dass sie nun selbst ein Kind hatte und alles besser machen wollte. »Mein Kind darf frei sein, es darf hinaus auf die Blumenwiese und tanzen, ich werde es nicht festhalten.« Das Dumme war nur, dass das kleine Töchterchen ausgerechnet Stier-Mond hatte, genau wie die
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