Der tiefe Brunnen: Astrologie und Märchen (German Edition)
anders gemacht. Daher die oft ungläubige Reaktion auf Kritik. Hier gibt es auch tief innen das Wissen: Ich bin in Ordnung, wie ich bin, es ist gut, dass ich da bin, denn letztendlich ist dieser Kosmos doch eine sinnvolle Ordnung.
Das Geheimnis der Schütze-Lebensenergie ist das Vertrauen, dass alles, was geschieht, einen Sinn in sich trägt. Daraus resultieren Zuversicht und Optimismus, ein grundsätzliches Ja. Alles im Leben birgt eine Chance, eine Möglichkeit, daran zu wachsen. Im besten Fall, wenn der Schütze sich vollständig akzeptiert – oben und unten, mit Pfeil und Pferdeleib -, verliert er diese Haltung auch nicht, wenn die dunklen Nächte kommen. Er weiß, dass auch Verzweiflungssituationen in ihrem Kern eine Entwicklungschance beinhalten. Die tiefe Gläubigkeit, die diesen Menschen in die Wiege gelegt ist, hat zunächst gar keinen Namen, es ist eine Art unbewusstes Gottvertrauen. Bei Schütze-Mond zeigt sich dieses Thema zunächst in der Beziehung zur leiblichen Mutter. Das Urvertrauen in die gute Mutter ist in der Regel sehr stark – ich kenne viele Menschen mit Schütze-Mond, die sich als Kinder mit dem Jesuskind im Arm Marias identifiziert haben, auch Kinder, die schon früh Kontakt mit ihrem Schutzengel hatten. Umso tiefer der Fall, wenn solch ein Lichtkind zum Beispiel feststellen muss, dass es abgelehnt wird oder benachteiligt gegenüber einem Geschwisterchen. In der kindlichen Schütze-Welt wird das als himmelschreiende Ungerechtigkeit erlebt. Das Lichtkind kann sich dann in einen Racheengel verwandeln.
Der Stimmungswechsel zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt ist ein Schütze-Thema, das auch in späteren Liebesbeziehungen immer wieder auftauchen kann. Entscheidend ist hier, ob es gelingt, die unvermeidlichen Erfahrungen von Schmerz, Frustration usw. in das eigene Konzept von Sinnhaftigkeit einzubauen. Wenn nicht, kann schon früh der Grundsatz für eine Lebensphilosophie gelegt werden, die etwa so aussieht: Das Leben ist ungerecht, es ist sinnlos, an jemanden oder etwas zu glauben.
Unsere Eltern sind unsere ersten Gurus, sie sind die ersten Menschen, zu denen wir aufschauen. Wenn wir als kleine Kinder in der Wiege liegen, sehen wir sie dort oben als Riesen, sie sind die ersten Götter für uns. Deshalb ist die Haltung, mit der sie auf uns herabsehen, so wichtig – mit Liebe und Würdigung oder mit Verachtung und Kritik. Diese Ursituation ist bei Schütze-Mond, speziell in Bezug auf die Mutter, ein sehr wichtiges Motiv, auch um spätere Glaubens-und Sinnfragen zu beleuchten.
Schütze-Mond-Kinder eignen sich auch in der Familie zu Hoffnungsträgern – unsere vorbildliche Tochter, unser vorbildlicher Sohn. Das Schicksal solcher Vorzeigekinder kann bitter sein, sie können früh schon auf eine Star-Rolle festgelegt werden, die ihnen keine Schattenseiten mehr erlaubt. Dann können sie Gefangene dieser Rolle werden, und wenn die Familie stolz auf sie ist, ist das zwar schmeichelhaft, aber man darf sie dann eben auch nicht enttäuschen. Insofern kann hier schon früh ein Kern entstehen für eine spätere Spaltung zwischen der Persona – dem, was man der Welt zeigt -, und dem, was hinter der Fassade ist, was man vorsichtshalber für sich behält, um die Eltern, die Umwelt nicht zu enttäuschen. Solche Probleme entstehen besonders häufig in Familien, in denen kein Schatten erlaubt ist, in denen um jeden Preis die Maske gewahrt werden muss oder wo eine einseitige Moral des guten Menschen herrscht. Hierher gehören die Pfarrhaus-Neurosen, die Schicksale von Prominentenkindern, von Adel, der verpflichtet. In solchen Fällen ist es heilsam, wieder zu lernen, wie man ganz normal und unvollkommen und damit authentisch ist. Die Versöhnung mit der einfachen, niederen Seite des eigenen Wesens, mit der eigenen Unvollkommenheit fällt oft schwer. Schütze-betonte Menschen sind sehr empfänglich für Botschaften wie »Sei vollkommen, sei perfekt, sei ein guter Sohn, eine gute Tochter«, überhaupt für das »Du sollst«. Ob auf der Leistungsebene oder auf der moralischen Ebene, zugelassen sind nur helle und lichte Gefühle, und alles, was dem niederen Selbst angehört, ist primitiv, ein Niveau, auf das man sich nicht hinablässt. Doch kein Mensch hält es aus, immer nur »oben« zu bleiben, und je länger diese Einseitigkeit andauert, desto sicherer wächst im Hintergrund ein Monster heran. Die ganze abgespaltene, primitive, niedere Energie des Menschlichen, allzu Menschlichen, staut sich
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