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Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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mit schweren Schritten weg. Mr. Dakin rief ihn noch einmal zurück. »Ich zahl dir deine Zeit, Jack. Schreib mir eine Rechnung.«
    Er kehrte zurück, zündete sich die Pfeife an und nahm einen tiefen Zug.
    »Mr. Herriot«, sagte er, als der Rauch ihm um die Ohren stieg, »haben Sie schon manchmal gedacht, daß es Dinge gibt, die einfach passieren müssen, und daß dann alles viel besser ist?«
    »Ja, Mr. Dakin. Das habe ich schon oft gedacht.«
    »Sehen Sie, das habe ich mir gesagt, als Blossom den Hügel da runterkam.« Er kraulte die Kuh am Schwanz. »Ich hab sie schon immer besonders gern gehabt, und bei Gott, ich bin froh, daß sie wieder da ist.«
    »Aber was ist mit ihren Zitzen? Ich will sie gern wieder vernähen, aber...«
    »Nein, mein Junge, ich hab da eine Idee. Ist mir gerade eingefallen, als Sie beim Auskratzen waren, und ich dachte schon, es wär zu spät.«
    »Eine Idee?«
    »Ja.« Der alte Mann nickte und stopfte den Tabak mit dem Daumen fest. »Ich kann ihr zwei oder drei Kälber geben, anstatt sie zu melken. Der alte Stall ist leer – da kann sie bleiben, und da tritt ihr niemand auf die alten Zitzen.«
    Ich lachte. »Da haben Sie recht, Mr. Dakin. Dort hat sie ihre Ruhe, und sie kann noch leicht drei Kälber säugen. Damit macht sie sich noch bezahlt.«
    »Ach, wie gesagt, das spielt gar keine Rolle. Nach all den Jahren schuldet sie mir nichts mehr.« Ein sanftes Lächeln huschte über sein knochiges Gesicht. »Die Hauptsache ist, sie ist wieder da.«

4
     
    Eines Morgens war eine weibliche Stimme am Telefon. Sie klang damenhaft und sehr verlegen.
    »Mr. Herriot... Ich – ich wäre ihnen außerordentlich dankbar, wenn Sie zu mir kommen könnten. Es handelt sich um meinen Hund.«
    »Ja, gern. Was hat er denn?«
    »Ja, er... Hmm... Er scheint an... an Gasen zu leiden.«
    »Wie bitte?«
    Langes Schweigen. »Er hat... zu viele Gase.«
    »Wie äußert sich das denn?«
    »Nun... man könnte es als... als Blähung bezeichnen.« Die Stimme begann zu zittern.
    Jetzt glaubte ich, es erraten zu haben. »Sie meinen, er hat Magenbeschwerden?«
    »Nein, es ist nicht sein Magen. Er hat... er hat eben diese...Gase... eigentlich sind es Winde – aus seinem –« Sie brach verzweifelt ab.
    »Ach so!« Jetzt war es mir klar. »Ich verstehe. Aber das klingt nicht sehr schlimm. Ist er krank?«
    »Nein, er ist sonst ganz gesund.«
    »Und Sie glauben wirklich, daß ich ihn mir trotzdem ansehen soll?«
    »O ja, ganz bestimmt, Mr. Herriot. Kommen Sie doch bitte so schnell wie möglich. Es ist zu einem richtigen... zu einem richtigen Problem geworden.«
    »Schön«, sagte ich. »Ich komme noch heute vormittag. Wollen Sie mir bitte Namen und Adresse angeben?«
    »Mrs. Rumney. The Laurels.«
     
    The Laurels war ein sehr hübsches Haus am Stadtrand, das ein großer Garten von der Straße trennte. Mrs. Rumney öffnete mir persönlich die Tür, und ich war überrascht, als ich sie sah. Sie war nicht nur eine strahlende Schönheit; sie war wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt. Sie mochte etwa vierzig sein, wirkte aber wie eine jugendliche Heldin aus einem viktorianischen Roman – groß, schlank und ätherisch. Offensichtlich gehörte sie zur besseren Gesellschaft, und ich begriff sofort, warum sie am Telefon so verlegen gewesen war. Sie war ein zartes, wohlerzogenes Geschöpf.
    »Cedric ist in der Küche«, sagte sie. »Ich führe Sie hin.«
    Cedric war die nächste Überraschung. Er war ein riesiger Boxer, der begeistert auf mich zu sprang und mir die größten und kräftigsten Pfoten, die ich seit langem gesehen hatte, auf die Schultern legte. Ich versuchte, ihn abzuwehren, aber er ließ nicht locker, keuchte mir ekstatisch ins Gesicht und wedelte mit dem gesamten Hinterteil.
    »Platz!« rief die Dame streng, und als Cedric keinerlei Notiz von ihr nahm, wandte sie sich nervös an mich. »Er ist ein so freundliches Tier.«
    »Ja«, sagte ich außer Atem, »das sehe ich.« Schließlich schaffte ich es, den Riesenhund abzuwimmeln. Ich suchte in einer Ecke Zuflucht. »Wie oft – wie oft entwickelt er diese – diese Gase?«
    Wie als Antwort strömte eine Schwefelwolke von dem Hund auf uns zu. In der Aufregung über meinen Besuch hatte Cedric seiner Schwäche nachgegeben. Ich stand an die Wand gelehnt und mußte mir einen Augenblick lang die Hand vor das Gesicht halten, bis ich wieder sprechen konnte.
    »Hatten Sie das gemeint?«
    Mrs. Rumney fächelte sich mit einem Spitzentaschentuch, und eine hauchzarte Röte stieg

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