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Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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Größe.
    »Was in Gottes Namen soll das sein?« fragte er mit bedrohlicher Beherrschung.
    Sein Bruder schluckte. »Wurst mit Kartoffelbrei«, sagte er schließlich.
    Siegfried sah ihn kühl an. »Ich meine aber das hier.« Er zeigte leicht angeekelt auf die dunkle Masse.
    »Ach, das sind die Kartoffeln.« Tristan räusperte sich. »Sind leider ein bißchen angebrannt.«
    Mein Chef erwiderte nichts. Er löffelte sich etwas von dem Zeug auf den Teller, nahm eine Gabel voll und schob sie in den Mund. Hie und da zuckte es in seinem Gesicht, wenn ihm ein besonders hartes Stück Kohle zwischen die Zähne geriet, aber dann schloß er die Augen und schluckte.
    Einen Augenblick lang saß er still da, aber dann faßte er sich mit beiden Händen an den Leib, stöhnte und sprang auf.
    »Nein, das reicht jetzt!« schrie er. »Es macht mir nichts aus, auf den Bauernhöfen Vergiftungen nachzuspüren, aber ich weigere mich entschieden, mich in meinem eigenen Hause vergiften zu lassen!« Er ging zur Tür. »Ich esse im Drovers’ zu Mittag.«
    Im Hinausgehen verkrampfte sich ihm der Magen noch einmal. Er hielt sich den Bauch und blickte uns an.
    »Jetzt weiß ich erst, wie diesen armen verdammten Kälbern zumute war!«

8
     
    In Yorkshire kann es entsetzlich kalt sein, und als ich meinen ersten Winter in Darrowby verbrachte, traf es mich fast wie ein Schlag.
    Der erste Schnee war gefallen, und mein Wagen mühte sich holpernd zwischen den weißen Hügeln den Dale hinauf, bis ich das Haus des alten Mr. Stokill erreichte. Ich blickte durch das Wagenfenster auf die neue Welt unter mir. Die weiße Schneedecke erstreckte sich den Berghang hinunter, über die Dächer der Farmhäuser und der Ställe, und dahinter die Steinmauern, der Fluß im Talgrund und die herrliche Landschaft, in der ich nun leben würde.
    Aber die Freude an diesem herrlichen Naturschauspiel verflog im Nu, als ich aus dem Wagen stieg und der Wind mir entgegenblies. Es war ein eisiger Ostwind, den das Wehen über das schneeige Land nur noch kälter machte. Ich trug einen dicken Mantel und Wollhandschuhe, aber die Kälte drang mir durch Mark und Bein. Ich stöhnte auf und lehnte mich mit dem Rücken gegen den Wagen, knöpfte mir den Mantel bis unter das Kinn zu und kämpfte mich dann bis zum wackelnden und quietschenden Tor heran, stieß es mit großer Mühe auf und trat auf den Hof.
    Mr. Stokill lud gerade eine Fuhre Mist aus, und die braune Spur des Karrens hob sich gegen das saubere Weiß ab.
    »So, da sind Sie«, nuschelte er mir durch seine halb aufgerauchte Zigarette zu. Er war über siebzig, führte aber seine kleine Farm ganz allein. Er hatte mir einmal erzählt, daß er dreißig Jahre lang als Knecht für sechs Shilling am Tag gearbeitet hatte, damit er sich endlich von seinen Ersparnissen diesen kleinen Hof hier kaufen konnte. Wahrscheinlich wollte er ihn deshalb mit niemandem teilen.
    »Guten Morgen, Mr. Stokill«, sagte ich, aber gerade da fuhr ein Windstoß über den Hof, biß mir ins Gesicht und schnitt mir den Atem ab, so daß ich unwillkürlich einen erstickten Schrei ausstieß.
    Der alte Farmer sah mich überrascht an und blickte sich dann um, als wenn er eben erst das Wetter bemerkt hätte.
    »Tja, es bläst ein bißchen heute morgen.« Funken stoben von einem Zigarettenstummel, als er sich auf die Mistgabel lehnte.
    Ihm schien die Kälte nicht viel auszumachen. Er trug eine leichte Khakijoppe über einer ramponierten dunkelblauen Weste, die bestimmt einmal zu seinem besten Anzug gehört hatte, und ein offenes Hemd ohne Kragen. Mit seinen weißen Bartstoppeln beschämte er mein jugendliches Alter, und plötzlich kam ich mir wie ein verweichlichtes Stadtkind vor.
    Der alte Mann steckte die Gabel in die Mistfuhre. »Hab heute ein paar hübsche Fälle für Sie. Zuerst mal hier rein.« Er machte eine Tür auf und ich folgte ihm dankbar in die Wärme eines Kuhstalls, in dem ein paar hagere kleine Ochsen bis zu den Knien im Stroh standen.
    »Der da ist es.« Er zeigte auf ein dunkelrotes Tier, das mit einem hochgezogenen Hinterbein dastand. »Seit ein paar Tagen humpelt er auf drei Beinen. Muß Fäule sein.«
    Ich trat auf den kleinen Ochsen zu, aber er entwich mir mit einer Geschwindigkeit, die angesichts seines Leidens erstaunlich war.
    »Wir müssen ihn in den Pferch treiben. Mr. Stokill«, sagte ich. »Wollen Sie bitte die Tür öffnen?«
    Knarrend öffnete sich die Stalltür, und ich trieb den Ochsen ins Freie. Es sah so aus, als würde er ohne weiteres

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