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Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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paar mit dem Blech ein, sah jedoch, daß sie mir gleich wieder entschlüpften, und ich hätte wohl noch Stunden dabei verbracht, wenn mich nicht plötzlich jemand sanft am Arm gefaßt hätte.
    »Immer mit der Ruhe, junger Mann.« Der alte Farmer sah mich gütig an. »Wenn Sie ihnen nicht nachlaufen, beruhigen die sich schon. Lassen Sie mich mal machen.«
    Leicht außer Atem trat ich zur Seite.
    »Giss-giss, giss-giss, giss-giss«, rief Mr. Stokill leise, ohne sich zu bewegen. »Giss-giss, giss-giss.«
    Die Ferkel verlangsamten ihr Tempo und stellten sich dann, wie einer Fernsteuerung gehorchend, alle auf einmal in einer Ecke auf.
    »Giss-giss, giss-giss«, sagte Mr. Stokill zufrieden und schlich sich fast unvernehmbar mit dem Blech an sie heran. »Giss-giss.«
    Ohne Eile pferchte er nun die Ecke mit dem Blech ein und stieß es mit dem Fuß fest.
    »So, jetzt treten Sie mit dem Stiefel noch die andere Seite ein, und dann haben wir sie«, sagte er ruhig.
    Jetzt war die Impfung der Ferkel nur noch eine Angelegenheit von Minuten. Mr. Stokill sagte nicht: »Da habe ich Ihnen wieder mal was beigebracht, was?«, und in seinen gütigen alten Augen lag kein Schimmer von Triumph. Er sagte nur: »Ich mach Ihnen viel zu schaffen heute früh, junger Mann. Ich möchte, daß Sie sich noch eine Kuh ansehen, die ‘ne Erbse in der Zitze hat.«
    »Erbsen« und andere Zitzenverstopfungen kamen in den Tagen des Handmelkens recht häufig vor. Manchmal war es eine Art Milchstein, manchmal eine Verletzung an der Zitzenhaut oder alles mögliche andere. Es war eine unterhaltsame Aufgabe für mich, und ich trat mit Interesse auf die Kuh zu.
    Aber ich kam ihr nicht sehr nahe, denn Mr. Stokill klopfte mir auf die Schulter.
    »Augenblick, Mr. Herriot. Fassen Sie die Zitzen nicht an, sonst kriegen Sie ‘n Fußtritt. Sie ist ein altes Mistvieh. Werd sie mal erst anbinden.«
    »Ach, lassen Sie nur«, sagte ich. »Ich mache das schon.«
    Er zögerte.
    »Vielleicht sollten Sie mich doch...«
    »Nein, nein, Mr. Stokill. Das ist ganz unnötig. Ich weiß, wie man eine Kuh am Ausschlagen hindert«, sagte ich stolz. »Reichen Sie mir bitte das Seil.«
    »Aber... sie ist wirklich ein Mistvieh... schlägt aus wie ‘n Pferd, ‘ne gute Milchkuh ist sie, aber...«
    »Keine Sorge«, sagte ich lächelnd. »Ich treibe ihr die kleinen Spiele schon aus.«
    Ich rollte das Seil auf. Es war gut, daß ich einmal zeigen konnte, wie ich mit Tieren umzugehen verstand, obgleich ich erst seit ein paar Monaten mein Diplom hatte. Und es war eine Abwechslung, wenn man vorher wußte, daß die Kuh ausschlug. Einmal hatte mich eine Kuh fast durch den ganzen Stall geworfen, und als ich meine Knochen zusammensammelte, hatte der Farmer schlicht gesagt: »Tja, das macht sie immer.«
    Ja, es war gut, vorgewarnt zu sein. Ich legte der Kuh das Seil um den Leib, gerade vor das Euter, zog es fest und machte einen Knoten. Ganz akademisch. Sie war ein hageres, rotes Tier mit kurzen Hörnern und wolligem Fell, und sie blickte mich nachdenklich an, als ich mich unter sie beugte.
    »Schön ruhig, meine Gute«, sagte ich und griff ihr ans Euter. Das Zitzenende war blockiert. Ich faßte etwas fester an und drückte, und im gleichen Augenblick schoß mir ein Huf wie eine Peitsche entgegen und traf mich empfindlich am Knie. Das ist eine besonders empfindliche Stelle und ich hüpfte eine ganze Weile lang leise fluchend im Kuhstall herum.
    Der Farmer war besorgt. »Das tut mir nun wirklich leid, Mr. Herriot. Sie ist wirklich ein böses Viech. Lassen Sie mich mal...«
    »Nein, Mr. Stokill. Ich hab sie schon angeseilt. Ich habe nur den Knoten nicht fest genug angezogen. Das ist alles.« Ich humpelte zur Kuh zurück, löste den Knoten, band ihn noch einmal und zog, bis mir die Augen aus dem Kopfe traten. Als ich fertig war, hing ihr Hinterteil hoch in der Luft und sie war eingeschnürt wie eine Modedame aus der Zeit Queen Victorias.
    »Das wird dich Mores lehren«, knurrte ich und machte mich wieder an die Arbeit. Ich mußte nur noch etwas fester drücken, und dann konnte ich das Hindernis mit der bereitliegenden Injektionsnadel herausholen. Ich nahm einen tiefen Atemzug und drückte fest zu.
    Dieses Mal traf mich der Huf am Schienbein. Sie hatte nicht sehr viel Schwung hineinlegen können, aber es tat trotzdem entsetzlich weh. Ich setzte mich auf den Melkschemel, rollte das Hosenbein hoch und betrachtete traurig die Hautfetzen eines langen Risses.
    »So, jetzt haben Sie genug abgekriegt, junger

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