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Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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»Ich habe dir doch gesagt, daß ich Wurst und Kartoffelbrei kochen kann.«
    »Ja, das hast du gesagt!« schrie sein Bruder. »Aber du hast nicht gesagt, daß du außer diesem dämlichen Fraß überhaupt nichts kochen kannst!«
    Tristan zuckte bedauernd die Achseln, und sein Bruder ließ sich resigniert am Tisch nieder.
    »Na schön«, seufzte er. »Tu uns auf, und Gott steh uns bei.«
    Er nahm einen Bissen, faßte sich an den Bauch und stöhnte tief auf. »Dieses Zeug bringt mich noch um. Von dieser Woche werde ich mich wohl nie erholen.«
    Der nächste Tag fing dramatisch an. Ich war gerade aufgestanden und griff nach dem Morgenmantel, als eine Explosion das Haus erschütterte. Ich stürzte zur Treppe hinaus und lief Siegfried in die Arme, der mich aus weit aufgerissenen Augen anstarrte.
    Tristan lag auf dem Rücken in der Küche inmitten von Pfannen und zerbrochenen Tellern. Speckschnitten und rohe Eier klebten an den Wänden.
    »Was zum Teufel geht hier vor?« schrie Siegfried.
    Sein Bruder blickte ihn desinteressiert an. »Das weiß ich doch auch nicht. Ich wollte das Feuer anmachen, und da hat’s geknallt.«
    »Das Feuer...?«
    »Ja. Gestern und vorgestern früh hatte ich Schwierigkeiten. Das Ding wollte einfach nicht brennen. Ich glaube, der Kamin sollte einmal gefegt werden. Diese alten Häuser...«
    »Ja, ja!« unterbrach ihn Siegfried. »Das weiß ich, aber was zum Teufel ist passiert?«
    Tristan setzte sich auf. Selbst inmitten der Scherben und mit den Speiseresten auf dem Gesicht bewahrte er Haltung. »Nun, ich wollte die Sache ein bißchen beschleunigen.« (Er erfand immer wieder neue energiesparende Methoden.) »Da habe ich halt ein Stück Watte in Äther getaucht und da reingesteckt.«
    »Äther?«
    »Ja. Das ist doch brennbar, nicht?«
    »Brennbar!« Sein Bruder konnte es nicht fassen. »Es ist explosiv, verdammt noch mal! Ein Wunder, daß du nicht das ganze Haus in die Luft gejagt hast.«
    Tristan erhob sich und schüttelte seine Jacke aus. »Macht nichts. Das Frühstück ist gleich fertig.«
    »Das kannst du dir sparen.« Siegfried seufzte tief auf, ging zum Brotkasten und schnitt ein paar Scheiben Brot ab. »Bevor du hier einigermaßen aufgeräumt hast, sind wir schon unterwegs. Ist Ihnen Brot und Marmelade recht, James?«
    Wir fuhren wieder zusammen weg. Mein Chef hatte Ken Billings gebeten, mit dem Füttern der Kälber zu warten, bis wir da waren.
    Es war eine traurige Ankunft. Beide Kälber waren gestorben, und der Farmer blickte verzweifelt drein.
    Siegfrieds Backenmuskeln strafften sich, als er ihm ein Zeichen gab. »Bitte, Mr. Billings, jetzt möchte ich sehen, wie Sie sie füttern.«
    Die Nüsse lagen ständig für die Kleintiere aus, aber wir beobachteten scharf, wie der Farmer die Milch in die Tröge goß und die Kälber zu trinken begannen. Der arme Mann hatte offenbar die Hoffnung aufgegeben, und ich sah ihm an, daß er auch von diesem letzten Versuch nichts erwartete.
    Mir ging es ebenso, aber Siegfried ging wie ein Tiger im Käfig auf und ab und schien irgend etwas zu erwarten.
    Die Kälber hoben fragend die weißbefleckten Mäuler, als er in die Tröge starrte, aber auch sie vermochten nicht, ihm des Rätsels Lösung zu bieten.
    Ich blickte auf die lange Reihe von Boxen. Es waren noch über dreißig Kälber hier im Stall, und der Gedanke, daß die Krankheit auf sie alle übergreifen könnte, war schrecklich. Ich hatte es schon aufgegeben, als Siegfried mit dem Finger auf einen der Tröge zeigte.
    »Was ist das?« rief er.
    Ich trat mit dem Farmer zu ihm, und wir starrten auf einen runden, schwarzen Fleck von etwa einem Zentimeter Durchmesser, der auf der Milch schwamm.
    »Da muß ein bißchen Dreck reingefallen sein«, brummte Mr. Billings. »Ich hol’s raus.«
    »Nein, lassen Sie mich das tun!« Siegfried nahm den kleinen Fremdkörper behutsam heraus, schüttelte sich die Milch von den Fingern und betrachtete ihn mit großer Aufmerksamkeit.
    »Das ist kein Dreck«, sagte er. »Schauen Sie, es ist ausgehöhlt – wie ein kleiner Becher.« Er rieb es zwischen Daumen und Zeigefinger. »Ich werde Ihnen sagen, was das ist. Es ist Hornhaut. Wo zum Teufel kommt die her?«
    Er untersuchte den Hals und den Kopf des Kalbes, und dann wurde er plötzlich sehr still, als er eine der kleinen Hornsprossen betastet hatte. »Hier ist eine rauhe Stelle. Sie können genau sehen, wo die Hornhaut herkommt.« Er legte das kleine Stück auf das Horn, und es paßte genau.
    Der Farmer zuckte die Schultern.

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