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Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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Genick.
    Jetzt hielt er sie hoch in der Luft, und sie versuchte wütend, sich zur Wehr zu setzen.
    »Hier, Jim«, rief er siegesgewiß. »Ich habe sie.«
    »Gut gemacht! Halte sie nur fest!« erwiderte ich atemlos und kletterte, so schnell ich konnte, vom Baum herunter. Zu schnell leider, denn ich hörte etwas reißen und sah zu spät, daß ich mir ein Stück Stoff aus dem Jackenärmel gerissen hatte.
    Aber mit solchen Kleinigkeiten konnte ich mich jetzt nicht abgeben. Ich rannte mit Tristan ins Haus und öffnete den Pappkarton. In jenen Tagen gab es noch keine raffinierten Katzenkörbe, und es war gar nicht einfach, Georgina, die wild um sich fauchte und mit ihren scharfen Krallen nach uns schlug, da hineinzubekommen.
    So waren zehn sehr aufregende Minuten verstrichen, und als ich den fest zugeschnürten Karton zum Wagen trug, fühlte ich mich durchaus noch nicht meiner sicher.
    Mrs. Beck war uns nachgekommen und hob warnend den Finger, bevor ich losfuhr. Wir warteten, was mir Gelegenheit gab, meine zerkratzte Hand zu betrachten und Tristan, an seinem verwundeten Daumen zu lutschen.
    »Mr. Herriot, seien Sie bitte nett zu ihr«, sagte sie besorgt. »Sie ist nämlich sehr scheu.«
    Wir waren kaum eine halbe Meile gefahren, als ich aus dem Wagenfond Kampfgeräusche vernahm.
    »Zurück in die Kiste, du Mistviech! Zurück! Zurück, habe ich gesagt!«
    Ich blickte hinter mich. Tristan war in Schwierigkeiten. Georgina schien es nichts auszumachen, daß sie sich in einem Wagen in voller Fahrt befand; sie hatte mit ihren Krallen bereits mehrere Risse in den Karton gekratzt, ihre Pfoten wurden sichtbar, und einmal sah ich sogar ihr wütendes und fauchendes Gesicht herausragen. Tristan stieß sie entschlossen immer wieder zurück, aber ich sah ihm bald an, daß er auf verlorenem Posten kämpfte. Und so hatte ich auch das Gefühl von etwas Unvermeidlichem, als ich seinen letzten Schrei hörte.
    »Sie ist raus, Jim! Das Mistviech ist raus!«
    Das hatte mir gerade noch gefehlt. Jeder, der je mit einer hysterisch fauchenden Katze in einem fahrenden Wagen gesessen hat, wird meine Lage verstehen. Ich saß über das Steuer gebückt und ließ das rasende Tier in allen Richtungen an mir vorbeischießen.
    Aber das Schicksal hielt noch weiteres für uns bereit. Mein Kollege im Wagenfond hörte plötzlich zu japsen auf, ließ aber gleich darauf einen Schreckensschrei vernehmen.
    »Jim, das verdammte Mistviech scheißt! Sie scheißt den ganzen Wagen voll!«
    Die Katze kämpfte mit all ihren verfügbaren Mitteln, und im übrigen hätte er es mir nicht zu sagen brauchen. Meine Nase war ihm voraus, und ich drehte eilig das Fenster herunter, aber ebenso schnell drehte ich es wieder hinauf, denn ich sah bereits vor mir, wie Georgina uns entfloh und auf immer verschwand.
    Ich erinnere mich nicht gern an den Rest dieser Fahrt. Ich versuchte, durch den Mund zu atmen, und Tristan paffte dicke Rauchwolken, aber es war immer noch ziemlich gräßlich. Kurz vor Darrowby hielt ich noch einmal an, und wir unternahmen gemeinsam einen letzten Angriff auf das Tier. Es gab weitere Wunden, besonders einen sehr schmerzhaften Kratzer auf meiner Nase, aber dann hatten wir sie schließlich wieder im Karton.
    Selbst auf dem Operationstisch hatte Georgina noch einige Tricks in Reserve. Wir benutzten Äther und Sauerstoff für die Narkose, und sie konnte sehr geschickt die Luft anhalten, wenn wir ihr die Maske aufs Gesicht stülpten, und dann plötzlich zu gewalttätigem Leben erwachen, wenn wir sie im Schlafe glaubten. Wir waren beide schweißgebadet, als sie endlich nachgab.
    Ich nehme an, es war unvermeidlich, daß sie dazu noch ein schwieriger Fall war. Die Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken bei Katzen ist eine ziemlich einfache Prozedur, und heute wird es sehr häufig praktiziert, aber in den dreißiger Jahren, und besonders auf dem Land, war es selten und galt infolgedessen als eine komplizierte Operation. Ich persönlich hatte auf diesem Gebiet meine besonderen Vorlieben und Abneigungen. Ich fand magere Katzen leicht und fette Katzen schwer zu operieren. Georgina war äußerst fett.
    Als ich ihr den Bauch öffnete, schwoll mir ein wahres Meer an Fett entgegen, in dem man nichts erkannte, und ich mußte lange herumsuchen, bis ich die rosa Eierstöcke und die schmale Gebärmutter in die Zange bekam. Danach verlief alles glatt, aber ich fühlte mich wirklich erschöpft, als ich die Wunde zugenäht hatte.
    Ich legte die schlafende Katze in den Karton

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