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Der Tierarzt kommt

Der Tierarzt kommt

Titel: Der Tierarzt kommt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herriot
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Sulfonamidpulver. Es hatte schon oft geholfen, aber in diesem Fall versprach ich mir nicht viel davon.
     
    Es war ein seltsamer Zufall, daß ich von meinem lautstärksten Kunden direkt zu meinem leisesten ging. Elijah Wentworth teilte sich nur sotto voce mit.
    Mr. Wentworth spritzte gerade mit dem Schlauch den Kuhstall aus, und er wandte sich mir mit seiner üblichen ernsthaften Miene zu, als ich eintrat. Er war ein großer, hagerer Mann, sehr genau in seinen Worten und Taten, und obgleich er ein schwer arbeitender Farmer war, sah er gar nicht ländlich aus. Dieser Eindruck verstärkte sich noch durch seine Kleidung, die eher in ein Büro als in einen Kuhstall paßte.
    Ein fast neuer Filzhut saß ihm auf dem Kopf, als er auf mich zutrat. Ich hatte Gelegenheit, diesen Kopfputz aus allernächster Nähe zu betrachten, denn er stand so dicht vor mir, daß sich unsere Nasenspitzen fast berührten.
    Er blickte sich einmal rasch um und flüsterte: »Mr. Herriot, ich habe hier einen wirklich schlimmen Fall.« Er betonte jedes Wort stets so, als handle es sich um ein sehr wichtiges Geheimnis.
    »Ach, das tut mir aber leid. Was ist es denn?«
    »Der schöne große Ochse, Mr. Herriot. Mit dem geht es rapide bergab.« Er kam noch näher und hauchte mir direkt ins Ohr: »Ich fürchte, es ist Tb.« Dann wich er betrübt einen Schritt zurück.
    »Das wäre allerdings schlimm«, sagte ich. »Wo ist er?«
    Der Farmer krümmte den Finger und ich folgte ihm in einen Stand. Der Ochse war aus der Hereford-Rasse, und normalerweise hätte er fünfhundert Kilo wiegen sollen, aber er war mager und abgezehrt. Ich verstand Mr. Wentworths Befürchtungen, aber ich hatte inzwischen einige klinische Erfahrung entwickelt, und dieses Tier sah mir gar nicht nach Tb aus.
    »Hustet er?« fragte ich.
    »Nein, er hustet nie, aber er ist ein bißchen schüpperig.«
    Ich sah mir das Tier etwas genauer an und entdeckte einiges – Unterkieferödem, geblähter Bauch, bleiche Schleimhäute – das mir die Diagnose leichtmachte.
    »Ich glaube, er hat Leberegel, Mr. Wentworth. Ich nehme eine Kotprobe mit und untersuche sie, aber ich würde am liebsten gleich mit der Behandlung anfangen.«
    »Leberegel? Wo kann er sich die geholt haben?«
    »Gewöhnlich auf einer nassen Weide. Wo ist er denn in letzter Zeit gewesen?«
    Der Farmer zeigte durch die Tür. »Da drüben. Ich zeige es Ihnen.«
    Wir gingen ein paar hundert Meter weit und kamen auf eine breite, flache Weide am Hügelhang. Der quatschende Boden unter meinen Füßen und das Sumpfgras erklärten es deutlich genug.
    »Der ideale Ort dafür«, sagte ich. »Sie müssen wissen, daß der Leberegel ein Schmarotzer ist und sich in der Leber des Rindes festsetzt, aber sein Lebenszyklus führt ihn vorher durch eine Schnecke, und diese Schnecke lebt nur auf ganz feuchtem Boden.«
    Er nickte bedächtig und feierlich, dann blickte er sich um, und ich wußte, daß er mir etwas sagen wollte. Er trat nahe an mich heran, setzte eine geheimnisvolle Miene auf und schien zu befürchten, daß ein Uneingeweihter seine Worte hören könne.
    Wir standen fast Wange an Wange, als er mir ins Ohr hauchte: »Ich weiß, wer daran schuld ist.«
    »Wirklich? Und wer ist es?«
    Er blickte sich noch einmal rasch um, um sicher zu sein, daß niemand aus dem Boden aufgeschossen war, und dann spürte ich wieder seinen heißen Atem: »Mein Verpachter.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Er tut überhaupt nichts für mich.« Er trat etwas zurück, um mir mit großen Augen ins Gesicht zu sehen, und dann nahm er wieder seinen Platz an meinem Ohr ein. »Hätte die Weide hier seit Jahren entwässern lassen sollen, aber tut’s nicht.«
    Ich wich zurück. »Dagegen kann ich leider nichts tun, Mr. Wentworth. Aber es gibt noch andere Mittel. Sie können die Schnecken mit Kupfersulfat vernichten – das kann ich Ihnen später erklären –, aber zuerst einmal wollen wir Ihren Ochsen verarzten.«
    Ich hatte etwas Hexachloräthan bei mir, vermischte es mit Wasser und flößte es dem Tier mit der Flasche ein. Er leistete keinerlei Widerstand, als ich ihm das Maul öffnete und die Medizin in seinen Rachen schüttete.
    »Er ist sehr schwach, nicht wahr?« sagte ich.
    Der Bauer warf mir einen trübseligen Blick zu. »Das ist er. Ich frage mich, ob er nicht am Verenden ist.«
    »Ach, geben Sie die Hoffnung nicht auf. Mr. Wentworth. Er sieht jetzt zwar schrecklich aus, aber wenn es Leberegel sind, kann die Behandlung eine Menge ausrichten. Lassen Sie mich wissen,

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