Der Tod auf dem Nil
er sie.» Seine Stimme wurde wärmer. «Er mag das Gefühl nicht, mit Leib und Seele besessen zu werden. Das ist nämlich eine verdammt besitzergreifende Einstellung! Der Mann hier ist meiner der gehört mir! Ich kann so was nicht ab – kein Mann kann so was ab! Der will dann bloß noch weg – frei sein. Er will seine Frau besitzen und nicht, dass sie ihn besitzt.» Er brach ab und zündete sich mit zitternden Fingern eine Zigarette an.
«Und so hat sich das für Sie angefühlt mit Mademoiselle Jacqueline?», fragte Poirot.
«Was?» Simon starrte ihn an. «Äh – ja – na ja, doch», gab er zu, «ja, das hat es. Sie sieht das natürlich nicht so. Und es war auch nichts, das ich ihr hätte sagen können. Aber ich hatte ein unruhiges Gefühl – und dann sah ich Linnet und sie hat mich einfach umgehauen! Ich hatte noch nie etwas so Liebenswertes gesehen. Das war alles so unglaublich. Alle Welt lag ihr zu Füßen – und sie pickt sich ausgerechnet einen armen Tropf wie mich heraus.» Seine Stimme hatte jetzt etwas jungenhaft Scheues und Staunendes.
«Ich verstehe», sagte Poirot und nickte nachdenklich. «Ja – ich verstehe.»
«Warum kann Jackie das nicht nehmen wie ein Mann?», fragte Simon vorwurfsvoll.
Ein sehr feines Lächeln kräuselte Poirots Oberlippe. «Tja, sehen Sie, Monsieur Doyle, zunächst mal ist sie kein Mann.»
«Nein, nein – ich meinte doch, warum kann sie nicht mit Anstand verlieren! Wir müssen alle mal bittere Pillen schlucken, wenn es sein muss. Den Fehler habe ich gemacht, das gebe ich ja zu. Aber das ist auch alles! Wenn man an einem Mädchen nicht mehr hängt, dann ist es einfach Wahnsinn, sie zu heiraten. Und jetzt, wo ich sehe, wie Jackie wirklich ist und wie weit sie es treiben will, habe ich das Gefühl, ich habe Glück gehabt, dass ich ihr entkommen bin.»
«Wie weit sie es treiben will», wiederholte Poirot nachdenklich. «Haben Sie eine Vorstellung, wie weit das ist?»
Simon sah ihn verwundert an. «Nein – jedenfalls, was meinen Sie?»
«Sie wissen, dass sie eine Pistole mit sich herumträgt?»
Simon runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. «Ich glaube nicht, dass sie die benutzt – jetzt noch. Das hätte sie längst tun können. Aber das ist jetzt, glaube ich, vorbei. Jetzt ist sie einfach bösartig – und versucht uns beide fertig zu machen.»
Poirot zuckte die Schultern. «Das könnte sein», sagte er skeptisch.
«Ich mache mir Sorgen um Linnet», fuhr Simon, eigentlich überflüssigerweise, fort.
«Das ist mir sehr klar», erwiderte Poirot.
«Ich habe nicht die Befürchtung, dass Jackie eine melodramatische Schießerei anfängt, aber dieses Nachspionieren, dieses Hinterherfahren, das hat Linnet schon völlig aufgerieben. Ich möchte Ihnen gern erzählen, was ich mir dagegen überlegt habe, vielleicht hätten Sie ja Verbesserungsvorschläge. Zunächst mal habe ich überall verkündet, dass wir zehn Tage hier bleiben. Morgen geht ein Dampfer, die Karnak, ab Shellal den Nil hinauf nach Wadi Halfa. Mein Plan sieht vor, dass wir Passagen unter falschem Namen buchen und offiziell morgen einen Ausflug nach Philae machen, Linnets Dienstmädchen die Koffer auf die Karnak bringt und wir in Shellal zusteigen. Wenn Jackie merkt, dass wir nicht ins Hotel zurückgekommen sind, ist es zu spät – wir sind weg. Sie wird annehmen, wir sind nach Kairo entwischt. Ich könnte sogar noch den Portier bestechen, damit er das behauptet. Nachfragen beim Tourismusbüro nutzen ihr auch nichts, denn unsere Namen tauchen da nicht auf. Wie kommt Ihnen das vor?»
«Klingt wohl überlegt, doch. Und wenn sie so lange hier bleibt und wartet, bis Sie wiederkommen?»
«Vielleicht tun wir das gar nicht. Wir fahren weiter nach Khartum und fliegen von da aus vielleicht nach Kenia. Über den ganzen Erdball kann sie uns ja wohl nicht hinterherfahren.»
«Nein. Die Finanzen werden es ihr irgendwann verbieten. Sie hat sehr wenig Geld, wenn ich es richtig sehe.»
Simon sah ihn bewundernd an. «Wie klug von Ihnen. Wissen Sie, daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Jackie ist immer abgebrannt.»
«Und trotzdem hat sie es geschafft, Ihnen so lange nachzureisen?»
Simon überlegte laut. «Sie hat natürlich ein kleines Einkommen. Keine zweihundert Pfund im Jahr, denke ich. Vermutlich – ja, vermutlich hat sie sich das Kapital auszahlen lassen, um das alles tun zu können.»
«Sodass sie eines Tages ihre Reserven aufgebraucht hat und so gut wie blank dasteht?»
«Ja…» Simon schien
Weitere Kostenlose Bücher