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Der Tod auf dem Nil

Der Tod auf dem Nil

Titel: Der Tod auf dem Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ausgestanden. Nein – da ist noch kein Ende in Sicht. Da bin ich ganz sicher.»
    «Also, Monsieur Poirot, Mut machen Sie einem nicht gerade.»
    Poirot sah ihn an und befand leicht gereizt für sich: Der Angelsachse – nichts nimmt er ernst außer Sport und Spiel! Er wird einfach nie erwachsen.
    Linnet Doyle, Jacqueline de Bellefort – die beiden nahmen die ganze Sache sehr ernst. In Simons Verhalten dagegen fand er nur männliche Unduldsamkeit und Gekränktheit. «Gestatten Sie mir eine unverschämte Frage? War es Ihre Idee, in den Flitterwochen nach Ägypten zu fahren?»
    Simon wurde wieder rot. «Nein, natürlich nicht. Im Gegenteil, ich wäre lieber woandershin gefahren, aber Linnet war absolut darauf versessen. Deshalb – deshalb –» Kraftlos brach er ab.
    «Natürlich», sagte Poirot nachdenklich.
    Er war sich völlig im Klaren, dass etwas, auf das Linnet Doyle versessen war, auch zu geschehen hatte. Und er dachte bei sich: Ich habe jetzt drei verschiedene Darstellungen dieser Affäre gehört: die von Linnet Doyle, die von Jacqueline de Bellefort, die von Simon Doyle. Welche kommt der Wahrheit wohl am nächsten?

Siebtes Kapitel
     
    S imon und Linnet Doyle brachen am nächsten Morgen gegen elf Uhr auf zu ihrem Ausflug nach Philae. Jacqueline de Bellefort sah vom Hotelbalkon aus zu, wie das malerische Segelboot ablegte. Was sie nicht sah, war ein Wagen, der – beladen mit Gepäck und einem biederen Dienstmädchen – von der Vorderseite des Hotels abfuhr. Er bog nach rechts, in Richtung Shellal.
    Hercule Poirot beschloss, die verbleibenden zwei Stunden bis zum Mittagessen auf der Insel Elephantine direkt gegenüber dem Hotel zu verbringen. Er schlenderte zum Landungssteg hinunter. Gerade bestiegen zwei Männer eine der Hotel-Feluken und Poirot schloss sich ihnen an. Die beiden kannten sich offensichtlich nicht. Der jüngere war am Vortag mit dem Zug angekommen, ein großer, dunkelhaariger junger Mann mit einem schmalen Gesicht und einem Rauflust andeutenden Kinn. Er trug eine sehr schmutzige Flanellhose und einen für das Klima denkbar unpassenden Rollkragenpulli. Der andere war ein eher rundlicher Mann mittleren Alters, der sofort das Gespräch mit Poirot suchte und fließend, aber leicht gebrochen Englisch sprach. Der junge Mann zeigte nicht die geringste Neigung, in die Unterhaltung einzusteigen, sondern warf erst beiden einen finsteren Blick zu und drehte sich dann demonstrativ weg, um sich seiner Bewunderung für die Geschicklichkeit hinzugeben, mit der der nubische Bootsführer die Feluke mit den Füßen steuerte, weil er die Hände für die Segel brauchte.
    Es war eine friedliche Ruhe auf dem Wasser, die weich geschwungenen, glatten schwarzen Felsen glitten an ihnen vorbei, eine sanfte Brise fächelte ihnen die Gesichter. Es war nicht weit bis Elephantine, und kaum an Land, machten Poirot und sein gesprächsfreudiger neuer Bekannter sich auf den Weg zum Museum. Letzterer hatte inzwischen eine Visitenkarte hervorgekramt und Poirot zugesteckt. Auf ihr stand: «Signor Guido Richetti, Archeologo.»
    Im Gegenzug verbeugte sich Poirot jetzt und zückte seinerseits eine Karte. Nach Erledigung dieser Förmlichkeitsrituale betraten beide Männer das Museum. Der Italiener sprudelte vor lauter gelehrtem Wissen. Sie unterhielten sich mittlerweile auf Französisch.
    Der junge Mann in der Flanellhose strich nur desinteressiert durchs Museum, gähnte hin und wieder und flüchtete schließlich an die frische Luft.
    Dort fanden ihn Poirot und Richetti etwas später wieder. Der Italiener begutachtete mit Feuereifer die Ruinen, aber Poirot entdeckte plötzlich einen grün gefütterten Sonnenschirm, den er kannte, bei den Felsen unten am Fluss und verschwand dorthin.
    Mrs. Allerton saß auf einem großen Felsen mit einem Skizzenblock neben sich und einem Buch auf dem Schoß.
    Poirot lüpfte artig den Hut, und Mrs. Allerton eröffnete sofort das Gespräch. «Guten Morgen. Es ist wohl einigermaßen unmöglich, die grässlichen Kinder hier wenigstens teilweise loszuwerden.»
    Eine Gruppe kleiner schwarzer Gestalten sprang grinsend um sie herum, vollführte Verrenkungen, streckte jammervoll die Hände aus und zischelte rhythmisch das hoffnungsvolle Wort «Bakschisch».
    «Ich hatte gedacht, die haben mich irgendwann über», fuhr Mrs. Allerton fort. «Sie belagern mich jetzt seit zwei Stunden – sie kommen Schritt für Schritt näher; und dann schreie ich sie an: ‹Imschi!›, und fuchtele mit dem Sonnenschirm und sie

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