Der Tod auf dem Nil
peinlich berührt. Er fühlte sich deutlich unwohl bei dem Gedanken.
Poirot beobachtete ihn aufmerksam. «Nein», befand er, «das ist kein schöner Gedanke.»
Simon entgegnete ziemlich aufgebracht: «Tja, ich kanns nicht ändern!» Und fragte noch einmal: «Was halten Sie von meinem Plan?»
«Ich glaube, er könnte klappen, doch. Aber das ist natürlich ein Rückzug.»
Simon wurde rot. «Sie meinen, wir laufen davon? Ja, das stimmt. Aber Linnet –»
Poirot sah ihn an und nickte kurz. «Wie Sie sagen, es ist vielleicht das Beste. Aber vergessen Sie nicht, Mademoiselle de Bellefort hat Köpfchen.»
«Ich habe das Gefühl», sagte Simon düster, «eines Tages werden wir uns wehren und die Sache ausfechten müssen. Ihr Verhalten ist einfach unvernünftig.»
«Vernunft, mon Dieu!», rief Poirot aus.
«Es gibt keinen Grund, weshalb Frauen sich nicht wie vernünftige Wesen benehmen sollten», beharrte Simon starrköpfig.
Poirot entgegnete trocken: «Oft genug tun sies ja. Aber das ist noch beunruhigender! Übrigens», fügte er hinzu, «ich werde auch auf der Karnak sein. Das gehört zu meiner Reiseroute.»
«Ach!» Simon zögerte und fragte dann etwas verlegen: «Das ist doch – ist doch nicht – äh – unseretwegen, irgendwie? Ich meine, es wäre mir unangenehm –»
Poirot fiel ihm ins Wort. «Ganz und gar nicht. Die Route stand schon komplett fest, bevor ich in London losgefahren bin. Ich plane immer alles lange vorher.»
«Sie fahren nie einfach so von Ort zu Ort, nach Lust und Laune? Das macht doch mehr Spaß.»
«Vielleicht. Aber um Erfolg im Leben zu haben, sollte man jedes Detail von langer Hand vorbereiten.»
Simon lachte auf. «Genauso geht auch der raffiniertere Mörder vor, nehme ich an.»
«Ja – obwohl ich zugeben muss, das genialste Verbrechen, an das ich mich erinnern kann, und eins der am schwersten aufzuklärenden, ist spontan, aus dem Moment heraus begangen worden.»
Simon wurde neugierig wie ein kleiner Junge. «Sie müssen uns auf der Karnak unbedingt von Ihren Fällen erzählen.»
«Nein, nein. Das wäre Ausplaudern von – wie nennen Sie es? – Betriebsgeheimnissen.»
«Ja, aber Ihre Art Betrieb ist doch auch ziemlich spannend. Findet jedenfalls Mrs. Allerton. Sie lechzt geradezu nach einer Gelegenheit Sie ins Kreuzverhör zu nehmen.»
«Mrs. Allerton? Das ist die entzückende Dame mit den grauen Haaren und dem ungemein anhänglichen Sohn?»
«Ja. Sie fährt auch mit auf der Karnak.»
«Weiß sie, dass –?»
«Natürlich nicht», sagte Simon mit Nachdruck. «Niemand weiß es. Ich halte mich an das Prinzip lieber niemandem zu trauen.»
«Eine vortreffliche Einstellung – eine, die ich mir auch immer zu Herzen nehme. Übrigens, der Dritte in Ihrem Kreis, der große grauhaarige –»
«Pennington?»
«Ja. Reist er gemeinsam mit Ihnen?»
Grimmig erwiderte Simon: «Etwas ungewöhnlich für eine Hochzeitsreise, dachten Sie wohl. Pennington ist Linnets amerikanischer Vermögensverwalter. Wir sind ihm in Kairo zufällig über den Weg gelaufen.»
«Ah, vraiment! Sie gestatten eine Frage? Sie ist doch volljährig, Ihre Frau?»
Simon grinste. «Sie ist noch nicht ganz einundzwanzig – aber sie musste auch niemanden um Erlaubnis fragen, ob sie mich heiraten darf. Pennington war vollkommen überrascht. Er hatte, zwei Tage bevor Linnets Brief mit der Nachricht von unserer Hochzeit in New York ankam, auf der Carmanic abgelegt, deshalb wusste er von nichts.»
«Die Carmanic…», brummelte Poirot.
«Er war auch vollkommen erstaunt, als wir in Kairo plötzlich vor ihm standen.»
«Das war ja wirklich Zufall!»
«Ja, und dann stellte sich heraus, dass er auch diese Nilfahrt machen wollte – also haben wir uns natürlich zusammengetan; anders wäre es anstandshalber auch gar nicht gegangen. Aber mal abgesehen davon, er war – na ja, eine Entlastung, gewissermaßen.» Wieder sah er verlegen aus. «Linnet war doch völlig überreizt – sie hat ja förmlich darauf gewartet, dass Jackie wieder irgendwo aufkreuzt, überall. Und solange wir allein waren, kamen wir immer wieder auf das Thema. So gesehen ist Andrew Pennington eine große Hilfe; wir müssen über ganz andere Dinge reden.»
«Ihre Frau hat Monsieur Pennington nicht eingeweiht?»
«Nein.» Simons Kiefer zuckte kampflustig. «Das geht sonst niemanden etwas an. Außerdem, als wir die Niltour antraten, dachten wir ja, die Sache sei endlich ausgestanden.»
Poirot schüttelte den Kopf. «Die Sache ist keineswegs
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