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Der Tod auf dem Nil

Der Tod auf dem Nil

Titel: Der Tod auf dem Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ist ungerecht; manche Leute haben alles.»
    Poirot seufzte. Er war froh, dass er nicht mehr jung war.

Zehntes Kapitel
     
    A m Montagmorgen erschollen Begeisterung und Freude in verschiedensten Tönen an Deck der Karnak. Während der Dampfer am Ufer vertäut wurde, streifte die Morgensonne ein paar hundert Meter entfernt eben einen großen, aus dem Felsen gehauenen Tempel. Vier aus einer Felswand gemeißelte kolossale Figuren sahen hier seit Ewigkeiten auf den Nil und in die aufgehende Sonne.
    Cornelia Robson verschlug es fast die Sprache: «Oh, Monsieur Poirot, ist das nicht wunderschön? Ich meine, die sind so groß und friedlich – und wenn man die ansieht, kommt man sich so klein vor – wie ein Insekt – und hat das Gefühl, dass nichts wirklich viel bedeutet, oder?»
    Mr. Fanthorp stand in der Nähe und murmelte: «Sehr – ähm – eindrucksvoll.»
    «Grandios, nicht?» Auch Simon Doyle kam herbeigeschlendert. Zu Poirot sagte er im vertraulichen Ton: «Ich bin eigentlich kein Freund von Tempeln und Besichtigungstouren und all solchen Sachen, aber so ein Ort packt einen ja doch irgendwie, wenn Sie verstehen, was ich sagen will. Diese alten Pharaonen müssen ja wunderbare Burschen gewesen sein.»
    Die anderen hatten sich verzogen. Simon senkte die Stimme. «Ich bin unendlich froh, dass wir diese Tour mitmachen. Sie ist – also, sie hat so manches geklärt. Erstaunlich, wieso ausgerechnet die Tour – aber es ist so. Linnet hat wieder Mut gefasst. Sie sagt, es liegt daran, dass sie sich endlich mit der ganzen Chose abgefunden hat.»
    «Das ist, glaube ich, sehr gut möglich», sagte Poirot.
    «Sie sagt, zuerst, als sie Jackie auf dem Schiff sah, da hat sie sich furchtbar gefühlt – aber dann hatte es plötzlich keine Bedeutung mehr. Wir haben beide beschlossen, wir wollen gar nicht mehr versuchen, ihr aus dem Weg zu gehen. Wir werden nicht das Feld räumen, sondern ihr einfach zeigen, dass ihre alberne Schau uns gar nichts mehr ausmacht. Die ist einfach schlechtes Benehmen – sonst nichts. Jackie hat gedacht, sie hätte uns nervlich erledigt, tja, und jetzt lassen wir uns nicht mehr erledigen. Das wird ihr eine Lehre sein.»
    «Ja», sagte Poirot nachdenklich.
    «Und das ist doch herrlich, oder?»
    «O ja, ja.»
    Linnet kam das Deck entlang. Sie war in aprikosenfarbenes Leinen gehüllt. Sie lächelte. Sie begrüßte Poirot ohne sonderliche Begeisterung, nur mit einem kühlen Nicken, und zog ihren Mann fort.
    Mit einem kurzen belustigten Schmunzeln verbuchte Poirot, dass er sich mit seiner kritischen Haltung nicht gerade beliebt gemacht hatte. Linnet war gewohnt, für alles, was sie war und tat, bedingungslos bewundert zu werden. Hercule Poirot hatte sich schwer versündigt an diesem Kredo.
    Mrs. Allerton trat murmelnd zu ihm. «Hat sich ja enorm verändert, dieses Mädchen! In Assuan sah sie bekümmert und nicht gerade glücklich aus. Heute wirkt sie so überglücklich, dass man fast Angst hat, das ist reine Hoffart.»
    Bevor Poirot seine Meinung dazu äußern konnte, ertönte der Ruf zum Sammeln. Der offizielle Dolmetscher übernahm die Führung und die kleine Gruppe ging an Land zur Besichtigung von Abu Simbel.
    Bei dem Fußmarsch geriet Poirot neben Andrew Pennington. «Das ist Ihre erste Ägyptenreise – ja?», fragte er.
    «Ach was, ich war 1923 schon mal hier. Das heißt, in Kairo. Diese Tour den Nil hoch habe ich noch nie gemacht.»
    «Sie sind, glaube ich, auf der Carmanic herübergekommen – so jedenfalls erzählte mir Mrs. Doyle.»
    Pennington warf ihm einen misstrauischen Blick zu. «Aber ja, das stimmt», bestätigte er.
    «Ich habe mich gefragt, ob Ihnen da zufällig Freunde von mir begegnet sind, die dort drüben waren – die Rushington Smiths.»
    «Ich kann mich nicht erinnern an jemanden, der so hieß. Das Schiff war voll und wir hatten schlechtes Wetter. Eine Menge Passagiere waren überhaupt nicht zu sehen und die Überfahrt ist ohnehin so kurz, dass man gar nicht mitkriegt, wer an Bord ist und wer nicht.»
    «Ja, das ist sehr wahr. Was für eine schöne Überraschung, dass Ihnen Madame Doyle und ihr Mann über den Weg gelaufen sind. Sie hatten keine Ahnung, dass sie geheiratet hatten?»
    «Nein. Mrs. Doyle hatte mir zwar geschrieben, aber der Brief wurde mir nachgeschickt, ich bekam ihn erst ein paar Tage nach unserer unerwarteten Begegnung in Kairo.»
    «Sie kennen sie seit vielen Jahren, wie ich gehört habe.»
    «Das will ich wohl meinen, Monsieur Poirot. Ich kannte Linnet Ridgeway

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