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Der Tod auf dem Nil

Der Tod auf dem Nil

Titel: Der Tod auf dem Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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herein. Sie trug ein fließendes, grau gestreiftes Seidenkleid und sah besorgt aus. «Es ist zu schrecklich», sagte sie und nahm den Stuhl, den Poirot ihr hinstellte. «Ich kanns kaum glauben. Dieses liebreizende Geschöpf, das alles hatte, wofür sich lohnt zu leben – tot. Ich weiß nicht, aber das ist doch nicht zu glauben.»
    «Ich weiß, was Sie empfinden, Madame», sagte Poirot mitfühlend.
    «Ich bin froh, dass Sie an Bord sind», sagte Mrs. Allerton erleichtert. «Sie werden herauskriegen, wer das getan hat. Ich bin ja so froh, dass es nicht das arme tragische Mädchen war.»
    «Sie meinen Mademoiselle de Bellefort? Wer sagt Ihnen, dass sie es nicht getan hat?»
    «Cornelia Robson», antwortete Mrs. Allerton mit einem schwachen Lächeln. «Die findet das ja alles einfach spannend. Es ist vermutlich das einzig Aufregende, was sie je erlebt hat, und vermutlich auch das einzig Aufregende, was sie je erleben wird. Aber sie ist so lieb, dass sie sich schrecklich geniert für ihr Vergnügen. Sie findet, es ist gemein von ihr.» Mrs. Allerton sah Poirot an und fügte hinzu: «Aber ich soll nicht klatschen. Sie wollten mich befragen.»
    «Wenn Sie erlauben. Sie gingen wann zu Bett, Madame?»
    «Kurz nach halb elf.»
    «Und Sie schliefen sofort ein?»
    «Ja. Ich war müde.»
    «Und haben Sie in der Nacht etwas gehört – irgendetwas?»
    Mrs. Allerton legte die Augenbrauen in Falten. «Ja, ich glaube, ich habe etwas platschen und jemanden laufen gehört – oder war es andersherum? Ich habe das nur verschwommen im Kopf. Ich dachte vage, dass jemand über Bord und ins Wasser gefallen ist – im Traum, wissen Sie –, und dann bin ich aufgewacht und habe gelauscht, aber es war alles ruhig.»
    «Wissen Sie, wie spät es war?»
    «Nein, das weiß ich leider nicht. Aber es war, glaube ich, nicht sehr lange, nachdem ich eingeschlafen war. Ich meine, innerhalb der ersten Stunde oder so.»
    «Madame, das ist leider nicht sehr präzise.»
    «Nein, das ist mir klar. Aber es wäre auch nicht gut, wenn ich raten würde, obwohl ich nicht die leiseste Vorstellung habe, nicht wahr?»
    «Das ist alles, was Sie uns sagen können, Madame?»
    «Ich fürchte, ja.»
    «Kannten Sie eigentlich Mrs. Doyle schon vorher?»
    «Nein, aber Tim kannte sie. Und ich wusste ziemlich viel über sie – durch eine Cousine, Joanna Southwood. Aber mit ihr gesprochen hatte ich nie, bevor wir uns in Assuan kennen lernten.»
    «Ich habe noch eine Frage, Madame, wenn Sie mir die verzeihen wollen.»
    Mrs. Allerton lächelte fein und murmelte: «Aber gern dürfen Sie mir eine indiskrete Frage stellen.»
    «Es ist Folgendes: Hatten Sie oder Ihre Familie je finanzielle Einbußen durch Transaktionen von Madame Doyles Vater, Melhuish Ridgeway?»
    Mrs. Allerton sah ihn völlig verwundert an. «Oh, nein! Unsere Familienfinanzen haben gar nichts eingebüßt, außer dem üblichen Verfall… Sie wissen ja, Zinsen werden immer niedriger. Unsere Armut hatte nie irgendetwas Melodramatisches. Mein Mann hat mir einfach sehr wenig Geld hinterlassen, aber das besitze ich immer noch, nur dass es eben nicht mehr so viel abwirft wie früher.»
    «Ich danke Ihnen, Madame. Vielleicht möchten Sie Ihren Sohn bitten jetzt zu uns zu kommen.»
    Tim feixte, als seine Mutter zurückkam. «Feuerprobe bestanden? Dann bin ich jetzt dran! Was für Sachen fragen die denn so?»
    «Nur ob ich gestern Nacht etwas gehört habe», sagte Mrs. Allerton. «Und dummerweise habe ich gar nichts gehört. Ich kann mir das nicht erklären. Linnets Kabine ist doch die übernächste neben meiner. Man sollte meinen, ich hätte den Schuss hören müssen. Lauf schon, Tim; sie warten auf dich.»
    Poirot stellte Tim dieselben Fragen.
    «Ich bin früh zu Bett gegangen», antwortete Tim, «halb elf oder so. Ich habe noch ein bisschen gelesen. Und das Licht ausgemacht um kurz nach elf.»
    «Haben Sie danach irgendetwas gehört?»
    «Eine Männerstimme, die ‹gute Nacht› sagte, glaube ich, nicht weit entfernt.»
    «Das war ich, ich habe Mrs. Doyle gute Nacht gesagt», sagte Race.
    «Ja. Danach bin ich eingeschlafen. Später habe ich dann eine Art Tohuwabohu gehört, jemand hat Fanthorp gerufen, das weiß ich noch.»
    «Mademoiselle Robson, als sie aus dem Aussichtssalon gelaufen kam.»
    «Ja, das war sie wohl. Dann eine Menge verschiedene Stimmen. Und dann rannte jemand an Deck entlang. Dann ein Platsch. Und dann hat der alte Bessner geröhrt, so etwas wie ‹jetzt aufpassen› und ‹nicht zu

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