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Der Tod auf dem Nil

Der Tod auf dem Nil

Titel: Der Tod auf dem Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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erklärte er beiden schlicht.
    «Umgebracht?», schrie Jacqueline auf. «Umgebracht, sagen Sie?»
    «Ja, das habe ich gesagt.» Die Antwort ging zwar an sie, aber er behielt Rosalie im Blick. Und zu ihr sagte er weiter: «Dieses Dienstmädchen hat nämlich etwas gesehen, das sie nicht hätte sehen sollen. Und deshalb – sie wurde zum Schweigen gebracht, für den Fall, dass sie ihren Mund nicht halten kann.»
    «Was hat sie denn gesehen?»
    Wieder fragte Jacqueline und wieder ging Poirots Antwort an Rosalie. Es war eine seltsame kleine Dreiecksgeschichte.
    «Es besteht, glaube ich, sehr wenig Zweifel daran, was sie gesehen hat», sagte er. «Sie hat jemanden an jenem fatalen Abend Linnet Doyles Kabine betreten und verlassen sehen.»
    Er besaß scharfe Ohren. Er hörte Luftschnappen und sah Augenlider zucken. Rosalie Otterbourne hatte genau so reagiert, wie er beabsichtigt hatte.
    «Hat sie gesagt, wen sie da gesehen hat?», fragte Rosalie.
    Sanft – und bedauernd – schüttelte Poirot den Kopf.
    Rasche Schritte kamen das Deck hinauf. Es war Cornelia Robson, mit aufgerissenen Augen und ganz durcheinander. «Oh, Jacqueline», rief sie, «etwas Furchtbares ist passiert! Noch etwas Grauenhaftes!»
    Jacqueline drehte sich zu ihr. Die beiden gingen ein paar Schritte zusammen. Fast unbewusst bewegten Poirot und Rosalie Otterbourne sich in die entgegengesetzte Richtung.
    Rosalie sagte barsch: «Warum sehen Sie mich an? Was geht in Ihrem Kopf vor?»
    «Das sind zwei Fragen, die Sie mir stellen. Ich stelle Ihnen im Gegenzug nur eine. Warum sagen Sie mir nicht die ganze Wahrheit, Mademoiselle?»
    «Ich weiß nicht, was Sie meinen. Ich habe Ihnen – alles gesagt – heute Morgen.»
    «Nein, es gibt einiges, das Sie mir nicht gesagt haben. Sie haben mir nicht gesagt, dass Sie eine kleinkalibrige Pistole mit Perlmuttgriff in der Handtasche herumtragen. Sie haben mir auch nicht alles gesagt, was Sie gestern Nacht gesehen haben.»
    Sie wurde rot. Dann sagte sie schroff: «Das stimmt überhaupt nicht. Ich besitze keinen Revolver.»
    «Ich habe auch nicht Revolver gesagt. Ich sagte, eine kleine Pistole, die Sie in Ihrer Handtasche herumtragen.»
    Sie wirbelte herum, schoss in ihre Kabine und wieder heraus und schleuderte ihm ihre graue Lederhandtasche hin. «Sie reden dummes Zeug. Gucken Sie selbst rein, wenn Sie mögen.»
    Poirot öffnete die Tasche. Es war keine Pistole drin. Er reichte ihr die Tasche zurück, während sie ihn höhnisch-triumphierend ansah. «Nein», sagte er liebenswürdig. «Da ist sie nicht.»
    «Sehen Sie. Sie haben nicht immer Recht, Monsieur Poirot. Und Sie liegen auch falsch mit Ihrer anderen albernen Behauptung.»
    «Nein, das glaube ich nicht.»
    «Sie machen einen rasend!» Sie stampfte wütend auf. «Sie setzen sich etwas in den Kopf und dann hacken Sie immer wieder darauf herum.»
    «Weil ich will, dass Sie mir die Wahrheit sagen.»
    «Was ist denn die Wahrheit? Sie scheinen das ja besser zu wissen als ich.»
    Poirot sagte: «Sie wollen, dass ich Ihnen erzähle, was Sie gesehen haben? Und wenn ich Recht habe, werden Sie dann auch zugeben, dass ich Recht habe? Dann will ich Ihnen von meiner kleinen Idee erzählen. Ich denke, als Sie um das Heck herumkamen, sind Sie ganz unwillkürlich stehen geblieben, weil Sie einen Mann aus einer Kabine etwa in der Mitte des Decks kommen sahen – Linnet Doyles Kabine, wie Sie am nächsten Tag erfuhren. Sie haben gesehen, wie er herauskam, die Tür hinter sich zuzog und das Deck hinunterlief und – vielleicht – in eine der beiden Kabinen am Ende ging. Nun, also, habe ich Recht, Mademoiselle?»
    Sie antwortete nicht.
    Poirot fuhr fort: «Vielleicht glauben Sie, es ist klüger, nichts zu sagen. Vielleicht haben Sie Angst, Sie könnten, wenn Sie reden, auch umgebracht werden.»
    Einen Augenblick dachte Poirot, sie würde anbeißen, der Köder, ihren Mut zu bezweifeln, würde etwas bringen, wo subtilere Argumente versagt hätten.
    Sie öffnete den Mund – ihre Lippen bebten –, dann sagte Rosalie Otterbourne: «Ich habe niemanden gesehen.»

Vierundzwanzigstes Kapitel
     
    M iss Bowers kam aus Dr. Bessners Kabine und strich die Manschetten über den Handgelenken glatt.
    Jacqueline ließ Cornelia unvermittelt stehen und sprach die Krankenschwester an. «Wie geht es ihm?», fragte sie.
    Poirot kam im richtigen Augenblick, um die Antwort zu hören.
    Miss Bowers sah einigermaßen besorgt aus. «Es könnte alles schlimmer sein», sagte sie.
    Jacqueline schrie auf. «Sie

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