Der Tod bin ich
trat, blickte ich nach oben. Es schneite. Alles war grau in grau. Dicke Flocken schwebten aus tief hängenden Wolken herab, als einzelne wahrnehmbar nur dann, wenn sie unter dem Licht der Straßenlaternen vorbeitrieben und sich zu Wirbeln verdichteten.
Mein Herz pochte. Wir hatten vereinbart, dass ich durch den Englischen Garten nach Hause ging. Lautlos lag der Park da, und ich versuchte unwillkürlich zu horchen, ob das Aufsetzen der Flocken auf dem Boden ein Geräusch verursachte. Die vorher bräunlich durchsetzten Rasenflächen zeigten sich in makellosem Weiß. Auf dem längs des Bachs verlaufenden Weg sollte mir Helmut entgegenkommen und mich zu Malikow bringen. Ich rechnete damit, dass unser Treffen wie schon die letzten Male am Kleinhesseloher See stattfinden würde, zu meiner Überraschung trat Helmut, schon kurze Zeit nachdem ich den Park betreten hatte, aus einem Weg hervor, fasste mich am Arm und führte mich wortlos Richtung Straße.
– Wo geht es denn hin?
Helmut zeigte ein schiefes Lächeln und schüttelte den Kopf. Seinen Hut, den eine weiße Auflage bedeckte, hatte er tief ins Gesicht gezogen.
– Zu gefährlich geworden mit dir.
Wir gingen ein kurzes Stück die kleine Seitenstraße entlang und näherten uns wieder dem Institut. Helmut hielt neben einem ausladenden schwarzen Opel Admiral und wies auf die Hintertür.
– Steig ein.
Ich öffnete den Schlag und erkannte Malikow im Fond. Helmut nahm den Fahrersitz ein und wendete sich nach hinten. – Wir sind komplett, sagte Malikow, fahr los.
38.
Fred Fridge riss die Beifahrertür des dunkelblauen Mercedes auf und ließ sich auf den Sitz fallen.
– Gerade noch gut gegangen!
Joe Salantino fuhr wie eine Klapperschlange von hinten hervor.
– Was soll das heißen?
Fred blähte die Backen.
– Sie war plötzlich aus dem Institut verschwunden, als Colin sie greifen wollte. Da hat er natürlich die Panik bekommen.
– Und dann?
– Ist sie zu dem Wagen gegangen, in dem Malikow saß. Colin musste befürchten, dass unser Plan aufgeflogen ist und sie ihn warnen wollte. Allerdings hat sie ihm nur Unterlagen übergeben. Dann ist sie glücklicherweise wieder in ihr Büro zurückgegangen, wo er sie in Gewahrsam nehmen konnte.
– Und jetzt?
– Haben wir sie unter Dach und Fach.
Joe ließ sich in das Polster zurücksinken.
– Was machen die anderen drei?
– Sind Richtung Freisinger Landstraße unterwegs.
– Ab die Post, Rothfuss!
Rothfuss startete den Wagen. Fred beugte sich nach hinten zu Joe.
– Nur die Ruhe, wir werden sie nicht verfehlen. Wie du siehst, empfangen wir Signale aus ihrem Fahrzeug. Der Sender funktioniert.
Fred wies auf ein metallenes Kästchen, das mit seiner Antenne wie ein Kofferradio aussah. Es piepte in längeren, regelmäßigen Intervallen. Dazu blinkte ein Lämpchen.
39.
Wir fuhren stadtauswärts. Über das Ziel unserer Fahrt schien zwischen Helmut und Malikow schweigendes Einverständnis zu herrschen. Die Fenster waren geschlossen, und das Heizungsgebläse des Wagens arbeitete auf Hochtouren. Mir wurde heiß, ich schlüpfte aus dem Mantel und packte ihn samt Schal und Hut auf den freien Vordersitz. Wir passierten die Stadtgrenze. Kurze Zeit danach bog Helmut in eine kleine Straße ein, die zu den Isarauen führte. Sie ging bald in einen Schotterweg über, der durch den Wald führte. Helmut wendete schließlich den Wagen, parkte ihn auf der rechten Seite in einer Bucht unter Bäumen und löschte die Scheinwerfer. In der Dunkelheit waren die Umrisse meiner Begleiter nur schemenhaft auszumachen.
– Ich höre!
Malikow holte aus seiner Brusttasche ein Zigarettenetui. Das Feuerzeug klickte, und erst im Schein des Flämmchens bemerkte ich, dass sein Blick auf mich gerichtet war.
– Du hast einen Vorschlag, nehme ich an?
Ich war diese Situation in meinen Überlegungen vielfach durchgegangen, ich wusste, was ich zu sagen hatte, und brachte mein Angebot kurz und präzise vor. Malikow schwieg eine Weile.
– Warum sollten wir darauf eingehen?
Er knipste das Lämpchen neben sich an.
– Ich denke, wir haben, was wir brauchen, und sind auf deine Mithilfe nicht angewiesen.
Er zog unter dem Vordersitz eine Mappe hervor. Die Mappe mitmeiner Arbeit! Das Erschrecken malte sich so deutlich in meinem Gesicht, dass es auch im Zwielicht zu erkennen war.
– Treffer also!
Eine Flut von Gedanken stürzte auf mich ein. Mein Wunsch, ihn zu treffen, musste ihn misstrauisch gemacht haben. Ich wollte mit ihm verhandeln,
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