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Der Tod bin ich

Der Tod bin ich

Titel: Der Tod bin ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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ist er nicht gekommen!
    – Waren Sie mit ihm verabredet?
    – Locker wie jede Woche. Sonntags kam er mich in aller Regel besuchen. Zum Tee.
    – Dürfen wir Sie erst mal fragen, Herr …?
    – Senoner, ergänzte ich. Tino Senoner.
    –… was Sie am Sonntag gemacht haben?
    – Dienst, sagte ich. Von neun bis neunzehn Uhr.
    Leo nickte zustimmend.
    – Sonntags ist er allein. Zur Sommerzeit jedenfalls.
    – Und wie ist er umgekommen?
    – Kopf- und Genickschuss.
    Mir wurde übel. Das klang nach einer Exekution.
    – Gab es irgendwas, setzte Bründl an.
    Ich schüttelte sofort den Kopf.
    – Nichts. Absolut nichts, von dem ich wüsste! Er hatte bei uns keine Feinde, jedenfalls kannte ich keine. Er hat nur gut über die Leute geredet.
    – Er war allseits respektiert, unterstrich Leo meinen Hinweis. Er hat jahrzehntelang für unsere Familie gearbeitet. Schon mein Vater schätzte ihn über die Maßen.
    – Nichts Auffälliges?
    – Nur dass er als Sonderling empfunden wurde.
    – Und war er das?
    Ich zögerte ein wenig, dann nickte ich.
    – Er wirkte zumindest so.
    Bründl schaute auf seine gut gepflegten Fingernägel.
    – War Eulmann Jude? Die Tat könnte dann einen rassistischen Hintergrund haben.
    Ich schaute ihn entgeistert an.
    – Jude, wie kommen Sie denn darauf?
    – Beantworten Sie zunächst meine Frage!
    – Eulmann war mein Chef. Logischerweise hatten wir viel miteinander zu tun. Aber ich will mal vorsichtig sein: Wenn er Jude war, habe ich es nicht gewusst, weil dergleichen nie zur Sprache kam.
    – In sein notdürftiges Grab ist mit dem Spaten ein Davidstern eingeritzt worden. Die Krähen haben zwar viel zerstört, aber das Zeichen war gut zu rekonstruieren, weil es aus zwei übereinander gezeichneten Dreiecken besteht. Man nennt das auch das Siegel Salomons.
    Ich begann zu stottern.
    – Moment. Das wuchs doch auch hinter seinem Haus.
    – Es wuchs? Das müssen Sie mir erklären.
    Ich sah mich Hilfe suchend nach Leo um.
    – Diesen Pflanzenatlas – hast du den irgendwo in Griffnähe?
    Leo holte ihn aus der Bibliothek. Es dauerte eine Weile, bis ich die gesuchte Pflanze gefunden hatte.
    – Hier: Polygonatum multiflorum, auch Weißwurz oder Salomonssiegel genannt. Wächst buschig hinter seinem Haus am Waldrand.
    Bründl sah seinen Kollegen an, der zuckte mit den Achseln.
    – Ist das jetzt eine Spur, fragte ich.
    – Hm, machte Bründl. Wir werden sehen.
    Er nahm einen letzten Schluck aus seinem Glas.
    – Vor nächster Woche werden wir die Leiche nicht zur Bestattung freigeben können. Wir müssen alles genau untersuchen lassen.
    Als sich die beiden verabschiedet hatten, saß ich noch mit Leo zusammen. Wir starrten vor uns hin und schwiegen.
    – Könnten wir nicht eine kleine Trauerfeier für ihn veranstalten, fragte ich schließlich.
    – Gute Idee, erwiderte Leo. Das müssen wir tun. In der Kapelle?
    – Wo sonst? Vielleicht können wir eine seiner Kompositionen aufführen?
    – Mach! Du hast freie Hand. Hambichl kann dir sicher helfen. Er ist doch Experte für Kirchenmusik.
    Da war er wieder, der große Unterschied zwischen Chef und Angestelltem, den ich bei Leo leicht vergaß. Er zog sich in seine Trauer zurück, ich organisierte die Feier. Irgendetwas von meinen Gedanken kam an ihn. Jedenfalls stand er plötzlich auf und holte eine Flasche Cognac aus der Anrichte.
    – Ich glaube, du könntest auch einen vertragen?
    Ich nickte dankbar.
     
14.
    Eulmann hatte seine Kompositionen in einer Kladde aufbewahrt, die in der Sakristei neben den Notenbüchern stand, sodass sie auch für andere leicht zugänglich waren. Als ich mit Rasso Hambichl, dem Organisten der Pfarrei, über die Auswahl eines Musikstücks sprach, wies er auf die Sammlung von sieben zusammengehörigen Stücken hin, die mit
Großer Kanon
überschrieben waren. Als Liedtext waren Teile aus der Genesis verwendet worden. Ich gab ihm freie Hand, und Hambichl entschied sich schließlich für den ersten Kanon, der den Titel
Der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser
trug. Seine Wahl folgte dem einfachen Gesichtspunkt, was den Musikern an Schwierigkeit zuzumuten war.
    Eulmanns Kompositionen seien für andere etwas sperrig, er klärte Hambichl. Er verstehe die musikalische Logik nicht so recht, aber sie würden ihr Bestes für eine angemessene Aufführung geben. Das Stück habe keine Vorzeichen, beruhe anfänglich auf einem C-Dur-Akkord, weise jedoch keine feste Tonart aus. Wann immer man eine solche zu erkennen glaube, werde man durch einen

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