Der Tod bin ich
beständig drehte. Hier oben wurde sie der ständigen Wiederholungen müde, der Antrieb dazu verflüchtigte sich zusehends.
Natürlich kamen immer wieder Wanderer auf die Alm, die sich von ihr bewirten ließen. Aber sie vermied längere Gespräche und beschränkte sich in solchen Kontakten auf das Nötigste.
Georg war daher anstrengend. Er glaubte durch seine Berichte ausgleichen zu müssen, was sie nicht mitbekam. Aber was waren das für Nachrichten! Dass sich der alte Mitterer eine Stielwarze hatte entfernen lassen, dass der Berger schon wieder betrunken im Graben gelegen war, dass Irmi in der Bäckerei zu wenig Geld zurückbekommen hatte und der Vanillekrapfen nur Johannisbeermarmelade enthielt. Ella war froh, wenn er wieder mit seinem Karren nach unten verschwunden war. Mit den meisten Leuten führte man eine Unterhaltung, um ihnen einen Gefallen zu tun. Und das wiederholte Denken offener Fragen löste keinen Knoten, sondern knüpfte ihn immer wieder neu.
Ella streckte ihre Beine in die Sonne und lauschte. Hier das tiefe Brummen einer Hummel, dort das Zirpen der Grillen und dahinter das Sirren der Mücken, ein Geräuschvorhang, aus dem sich immer wieder einzelne lösten und in den Vordergrund traten, wenn sie sichEllas Bank näherten. Aus dem Wald rief ein Kuckuck. Sie hatte ihn nie gesehen, aber sie kannte seinen Ruf. Auch das ständige Schlagen der Glocken, die die Kühe umgehängt trugen, war kein gleichförmiges Einerlei, sie wusste genau, ob es zu Fanny, Rixe, Berta oder einer anderen gehörte. Sogar die Entfernung, in der sie standen, ließ sich abschätzen. Ella hätte jede von ihnen mit verbundenen Augen erkannt und wiedergefunden.
Ella räumte das Geschirr zusammen und brachte es nach drinnen. Beim Abwaschen entschloss sie sich, das kleine Kräuterbeet anzulegen, das sie schon lange geplant hatte.
Wenig später stand sie draußen und grub die Erde um. Sie zerkleinerte die Schollen, entfernte Steine und Wurzelwerk. Zum Schluss rechte sie das Beet glatt. Sie war zufrieden und schaute nach oben. Eine dunkle Wolke hatte sich vor die Sonne geschoben. Leichter Wind kam auf. Womöglich würde ein Gewitter aufziehen. Sie brachte die Geräte in den Schuppen zurück. Das Vieh war noch unbeeindruckt von dem, was sich da oben zusammenbraute. Also würde das Gewitter noch auf sich warten lassen. Vom Fenster aus schaute sie auf ihre Arbeit. Der rechteckige dunkle Erdfleck stach aus dem satten Grün der Wiese hervor.
Plötzlich überwältigte sie ein Gedanke, der sie erschreckte.
Das Beet sah aus wie ein frisch aufgeschüttetes Grab.
16.
Skeptisch blickte der ältere Herr im sandfarbenen Anzug zum Himmel. Dunkle Wolken hatten sich vor die Sonne geschoben und ein Windstoß fegte über die Wiese. Direkt über ihm lag nun der Rettachhof, er hatte den steilen Fußweg genommen, statt auf der schmalen, sanfter ansteigenden Straße nach oben zu gehen. Der Rettachhof war in seiner Wanderkarte als Sehenswürdigkeit aufgeführt, ein Erbhofseit dem vierzehnten Jahrhundert, dazu seiner Hanglage wegen ein Ausguck auf Brigau, das Dorf mit dreihundert Seelen, und das Brigtal. Er war nicht zu verfehlen.
Er drückte sich seinen Strohhut etwas fester auf den Kopf, schob das bauchige Futteral, das er um den Hals trug, zur Seite und studierte die Wegweiser. Den Rettachhof hatte er danach erreicht.
Mit der Gelassenheit eines Mannes, der mit sich und seinen Plänen im Reinen ist, nahm er den Hof in Augenschein. Er war am Saum des Waldes hochgestiegen, neben sich eine weitläufige Wiese, deren Gras so hoch stand, dass der nächste Schnitt nicht lange auf sich warten lassen würde. Darüber, wo das Terrain in eine breite Terrasse überging, stand der Hof. Er stammte aus einer Zeit, in der es selbstverständlich war, dass sich der Bauer mit Land umgab und keinen Nachbarn direkt neben sich hatte. Außer einem Austragshäuschen war nichts dazugebaut worden. Das mächtige Dach des Berghofs wirkte wie ein tief ins Gesicht gezogener Hut, Wetterfestigkeit war den Erbauern das oberste Gebot gewesen. Ein Balkon umgab das Haus, dessen Brüstung fast vollständig von den bunten Blütenkissen aus weißen und roten Hängegeranien bedeckt war. Die Ställe waren direkt an das Wohnhaus gebaut, darüber die ausladende Scheune, in die eine Auffahrt für Traktoren und andere landwirtschaftliche Fahrzeuge führte.
Eine alte Frau stand im Hühnerstall und streute aus ihrer Schürze heraus Körner unter das gackernde Hennenvolk. Sie blickte auf und
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