Der Tod bin ich
festzuklammern war sinnlos, sich jedoch davon zu distanzieren hätte ein falsches Zeichen gesetzt.
In diesem Zwiespalt wurde ihm deutlich, wie heimatlos er in jeder Hinsicht geworden war. Verwandte gab es keine mehr, und Russland selbst war ihm fremd geworden, da man ihn dienstlich ausschließlich im Ausland eingesetzt hatte. Mit dem gegenwärtigen politischen System wollte er nichts zu schaffen haben. In dieser Situation entschied sich Aaron Malikow, dorthin zurückzukehren, wo er den größten Teil seiner Dienstzeit zugebracht hatte. Er beendete die Moskauer Episode, Berlin bot alles, was er suchte und was er sich für einen geruhsamen Lebensabend erträumte.
An der Krummen Lanke pfiff Aaron den Hund zu sich her. Rusty hatte die schlechte Angewohnheit, ins Wasser zu gehen, triefend zu ihm zu laufen und sich dicht bei Herrchen trocken zu schütteln.
Sein Handy klingelte. Es war Oleg. Er nannte jedoch seinen Namen nicht.
– Ruf mich doch mal in einer ruhigen Minute an.
Dann hatte er bereits wieder aufgelegt. Er hatte verhindern wollen, dass Aaron ihn mit Namen ansprach. Verblüfft betrachtete Aaron das Telefon. Einen solchen Anruf hatte er zuletzt vor über fünfzehn Jahren bekommen. Damals war Gefahr in Verzug gewesen. Sein Kontaktmann hatte versucht, radioaktives Material außer Landes zu schmuggeln. Aaron sah auf die Uhr. Wenn er sich jetzt gleich auf die Suche nach einer Telefonzelle machte, schaffte er es vielleicht doch noch, mit Grigorij Mittag zu essen.
Schnell hatte er gefunden, was er suchte.
– Was gibt es?
– Die Engländer haben eine vertrauliche Anfrage nach dir platziert.
– Aha.
– Gegenwärtiger Aufenthaltsort vor allem.
– Und?
– Weiß nicht. Aber garantieren möchte ich für unsere jungen Leute nicht mehr. Sie haben nie mit dir zusammengearbeitet. Womöglich ist die Information schon längst rausgegangen.
– Danke.
Sie legten auf. Aaron kam ins Grübeln. Hatte nicht neulich ein Paketdienst versucht, etwas zuzustellen, und sich bei den Nachbarn nach ihm erkundigt? Angekommen war jedoch nie etwas.
Wieder zu Hause, ging er in seine kleine Werkstatt, die er sich im Keller eingerichtet hatte. Dort hielt er eine Metallbox verwahrt. In Öltuch eingewickelt lag darin seine Stetschkin. Der zusätzliche Anschlagschaft, der sich am Griff befestigen ließ, um kontrolliert Dauerfeuer ausüben zu können, hing neben den Stechbeiteln. Aaron wischte die Waffe mit einem Tuch ab. Ihre Mechanik schien immer noch einwandfrei.
Anschließend überprüfte er die Alarmanlage und machte sie scharf, was er seit Jahren nicht mehr getan hatte. Dann stieg er in seinen Wagen und fuhr zum Mittagessen. Grigorij hatte ihm versichert, er erwarte ihn trotz seiner Verspätung noch zum gemeinsamen Essen.
27.
Am Tag nach dem Gespräch mit Georg rief ich Bründl an. Ich wollte wissen, ob er schon etwas im Abgleich der beiden Fälle hatte erreichen können. Leider nicht. In dieser Angelegenheit müsse man über Interpol gehen. Den Kollegen direkt anzurufen und zu fragen, was für ein Kaliber die Mordwaffe gehabt habe, verbiete die Dienstordnung. Es tue ihm leid, aber in dieser Sache brauche man mehr Geduld.
Dann suchte ich Leo. Er saß in seinem Arbeitszimmer.
– Ich brauche deine Hilfe, Leo.
Leo setzte seine Lesebrille ab.
– Kein Problem. Nimm Platz, ich mache uns einen Kaffee.
Als wir dann am Tisch zusammensaßen, breitete ich die ganze Geschichte aus. Ich zog ihn vollständig ins Vertrauen.
– Halten wir fest, sagte Leo nach meiner Schilderung, deine Tante wird auf eine verblüffend ähnliche Weise umgebracht wie Eulmann. Nachdem du deiner Mutter von Eulmanns Tod erzählt hast, verschwindet sie spurlos.
Ich nickte.
Er nahm einen Schluck aus seiner Tasse.
– Und wie soll ich dir in der Angelegenheit helfen?
– Ich würde gerne in unseren Unterlagen nachgraben. In denen müsste doch mehr über Eulmann zu erfahren sein.
– Kannst du gerne machen. Vater hat ja alles penibel aufbewahrt. Du weißt ja, wo die Ordner stehen. Schau sie dir in Ruhe hier am Tisch an und stell mir dann alles ins Regal zurück.
Ich sammelte die Akten ein, in denen ich fündig zu werden hoffte, und begann sie durchzublättern. Baron Ignaz hatte in der Tat alle Schriftstücke sorgfältig abgeheftet, Beschwerden von Nachbarn, Vereinbarungen über Holzdeputate für Waldarbeiter und schließlich auch das Bewerbungsschreiben von Richard Eulmann samt handgeschriebenem Lebenslauf. Danach war er am zehnten Februar
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