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Der Tod bin ich

Der Tod bin ich

Titel: Der Tod bin ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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in der Brigauer Kirche statt, und ich war sicher, dass ich auf demselben Platz saß wie damals. Die Gebirgsschützen bildeten ein Spalier, als der Sarg hindurchgetragen wurde, senkte der Hauptmann die Fahne. Ich verstand nicht, dass das der Abschied von meinem Vater für immer sein würde.
    Meine Mutter schwankte etwas und klammerte sich an meinen Arm.
    Ich hörte den Pfarrer weiter aus der Bibel lesen. Ich wollte über den Sinn seiner Worte genauer nachdenken, da meinte ich aus den Weihrauchschwaden ganz deutlich den Geruch von Tante Irmis frisch gebackenem Hefezopf herauszuspüren. Samstags buk sie. Duftende Schwaden wie in einer Bäckerei durchzogen das Haus. Es war, als sende sie mir einen letzten Gruß.
    Vier Träger nahmen schließlich den Sarg, den man mit Margeriten, ihren Lieblingsblumen geschmückt hatte, stellten ihn auf den Wagen, der vor dem Portal stand, und fuhren voraus zu dem frisch ausgehobenen Grab. Ich empfand es als ziemlich unangenehm und taktlos, dass sich sommerlich gekleidete Schaulustige hinter dem Friedhofsmäuerchen versammelt hatten. Einer wenigstens deutete eine Geste an und zog seinen Strohhut vom Kopf, als sich der Sarg näherte.
    Später saßen wir beim Auwirt. Die Frauen tupften mit ihren Taschentüchern die Tränen aus den Augenwinkeln, die Männer saßen schweigend vor ihrem Bier. Mit dem Essen wurde die Stimmung lebhafter. Die Gesichter röteten sich, vereinzelt hörte man Lachen. In der zunehmenden Aufgeräumtheit herrschte jedoch ein herzlicher Ton vor, Wortwechsel und jeder Anflug von Streit wurden strikt vermieden.
    – Wie geht es eigentlich Eulmann, fragte meine Mutter plötzlich.
    Für meine Schilderung hätte ich mir gern einen anderen Zeitpunkt ausgesucht, aber nun, da sie mich schon fragte, erzählte ich ihr von dem Mord und auch davon, wie sehr mich die Ähnlichkeit der beiden Fälle irritierte. Ich machte aus der Mutmaßung, die mich schon seit geraumer Zeit quälte, keinen Hehl. Ich hatte erwartet, dass sie versuchen würde, mir den unterstellten Zusammenhang auszureden. Sie nahm ihn jedoch sofort als gegeben hin.
    – Du hast recht. Die beiden Morde tragen dieselbe Handschrift.
    In ihrem Gesicht zeichnete sich blankes Entsetzen ab. Sie verfiel anschließend in ein undurchdringliches Schweigen. Als sie mir ihre Hand auf den Unterarm legte, spürte ich, dass sie heftig zitterte.
     
22.
    Nach der Trauerfeier fuhren wir zum Hof zurück. Georg zog sich gleich um, er sagte, er müsse nun in den Stall.
    – Kaffee, fragte meine Mutter.
    Ich nickte.
    Wir gingen zusammen in die Küche. Die Küche war schon immer der selbstverständliche Ort gewesen, um zu essen, zu sitzen und zu reden. Winters war sie der einzige warme Raum. Die Stube wurde nur bei Familienfesten benutzt. Ich setzte mich auf das Sofa, das wie eine Sitzbank am Tisch aufgestellt war. Zu seinen Lebzeiten war es der Platz meines Vaters gewesen. Dort hatte er sich hingelegt und Mittagsschlaf gehalten. Die Geräusche in der Küche schienen ihn nie zu stören. Vielleicht mochte er Betriebsamkeit um ihn herum. Ich zog die Schuhe aus und legte die Beine hoch. Niemand blieb länger aufrecht auf dem Küchensofa sitzen.
    – Erzähl genau, wie das mit Eulmann war.
    Ich blickte mit einiger Sorge auf meine Mutter. Aber sie hantierte sicher und flink am Herd. Offenbar hatte sie ihre Fassung wiedergewonnen.
    Ich schilderte jenen Sonntag vor zwei Wochen, dessen ungute Atmosphäre mir so zu schaffen gemacht hatte. Und wie dann am nächsten Tag die Polizei kam und die Nachricht von Eulmanns Tod überbrachte.
    – Weiß man etwas über den Täter?
    – Den Fußabdrücken nach ein Mann. Sonst nichts! Leo, meinChef, hat schon mehrfach nachgefasst. War ja schließlich sein Angestellter. Und die Beziehungen unseres Herrn Baron funktionieren immer noch gut genug. Man hat bis jetzt keine Anhaltspunkte auf die Person gefunden, sie könnte von überallher gekommen sein, der Kreis beschränkt sich offenbar nicht auf die nähere Umgebung.
    – Und sonst?
    – Man sieht noch kein Motiv. Sein Haus wurde durchsucht, systematisch sogar, aber Geld oder Wertsachen wurden nicht mitgenommen. Sein Geldbeutel lag fast ostentativ auf dem Schreibtisch. Der Täter war auf nichts dergleichen aus. Aber was hat er gesucht?
    Meine Mutter wiegte den Kopf.
    – Wie bei uns. Da hat er auch nichts gefunden. Gibt es denn gar keinen Hinweis?
    – Nein. Eulmann hatte keine Feinde. Viele hielten ihn zwar für einen Sonderling, aber er war durchaus beliebt.

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