Der Tod bin ich
neunzehnhundertdreißig in Kiel zur Welt gekommen. Da man ihn in der Endphase des Kriegs als Luftwaffenhelfer eingezogen hatte, konnte er erst nach Kriegsende einen Schulabschluss absolvieren. Er hatte dann in Berlin Elektrotechnik studiert und hatte einige Zeit bei Daimler Benz in Sindelfingen gearbeitet, bis er schließlich für die bayerische Königsfamilie im Gut Leutstetten als Verwalter tätig geworden war. Seltsamerweise lauteten alle Zeugnisse auf Richard Uhlmann.In den sechziger Jahren hatte dann das Standesamt Kiel eine Passberichtigung vorgenommen. Seither firmierte er als Eulmann. Sein Vater war unter dem Namen Uhlmann aus der russischen Kriegsgefangenschaft ins Lager Friedland überstellt worden. Weitere Unterlagen zur Personenstandsfeststellung hätten nicht erbracht werden können, sodass die Familie unter diesem Namen lebte, bis sich über die Kieler Behörde eine Korrektur hatte erreichen lassen.
Eulmann bewarb sich neunzehnhundertsechsundsechzig bei Baron Ignaz von Rothenberg um die Stelle als Gutsverwalter. Aus den Unterlagen ging ohne Umschweife hervor, dass man sich glücklich schätzte, eine so qualifizierte Kraft gewinnen zu können, und ihn postwendend einstellte. Kurze Zeit später siedelte Eulmann nach Ottenrain über und stand seither im Dienst der Familie.
Ich blätterte alles noch einmal durch, um auszuschließen, dass ich etwas übersehen hatte. Aber ich konnte nichts mehr ausfindig machen und stellte die Ordner in Leos Büro zurück.
Anschließend drehte ich eine Runde im Prälatengarten, um zu rauchen und meinen Kopf durchzulüften. An Eulmanns Lebenslauf war nichts Ungewöhnliches. Auch eine Verbindung zu meiner Familie in Brigau war nicht zu erkennen. Das einzige Detail, das merkwürdig schien, war die Korrektur seines Nachnamens. Eine Recherche im Internet, wo inzwischen umfangreiches genealogisches Material aufgehäuft war, konnte daher lohnend sein.
Ich schaltete an meinem Schreibtisch den Computer ein und prüfte, ob sich für den Namen Eulmann passende Dokumente ermitteln ließen. Aber nichts von dem, was im Netz gesammelt war, hatte auch nur entfernt mit Richard Eulmann zu tun. Da passte kein Detail! Drauf und dran, die Sache abzubrechen, kam mir der Einfall, die Recherche für
Richard Uhlmann Ingenieur
zu wiederholen. Hier wurde ich fündig. In einer Familie Uhlmann war ein Richard aufgeführt, der den Beruf des Ingenieurs ergriffen hatte. Die Linie setztesich über Herbert und Bruno Uhlmann fort. Letzterer hatte einige Fotos in das Netz gestellt. Darunter befand sich das Bild eines Mercedes 180 D und dazu sein Hinweis, dass er die Liebe zu alten Daimlern von seinem Großvater Richard geerbt habe, der Ingenieur im Werk Sindelfingen gewesen sei. Erschrocken las ich weiter. Großvater Richard sei neunzehnhundertfünfundsechzig gestorben.
Ich griff zum Telefon und rief Leo an.
– Das musst du dir unbedingt ansehen, sagte ich. Kannst du auf einen Sprung zu mir rüberkommen?
28.
Fred Fridge war mit dem Bus von Trumpington nach Cambridge gefahren, um noch einige Besorgungen zu machen. Das reichhaltige Angebot in der Drogerie überforderte ihn. Unentschlossen lief er die Regale entlang, bis er sich endlich eingestand, dass ihn ein bislang unbekanntes Reisefieber gepackt hatte. Sein letzter Einsatz lag Jahre zurück, er fühlte sich matt und spielte mit dem Gedanken, Joe Salantino unter irgendeinem Vorwand abzusagen. Im selben Moment spürte er, dass Joe mit seinem Instinkt für die Schwäche der anderen
Hosen voll!
konstatieren würde, und das konnte er nicht zulassen. Er legte eine Dose
Captain’s Cold Cream
und einen Reise-Rasierpinsel in den Einkaufskorb.
Als er den Laden verließ, stellte er fest, dass er noch eine gute Stunde Zeit hatte. Fred hatte sich mit Gilbert zum Tee im
Orchard
verabredet. Gilbert war sein letztverbliebener Kontakt zum Secret Service. Bis zu seiner Pensionierung hatte er ihm als Assistent zur Seite gestanden. Gilbert hatte nach einigem Zögern eingewilligt, Fred ein letztes Briefing vor der Abreise zu geben. Ein auffrischender Südwind ließ die Hausboote auf der Cam hin und her schaukeln. Mit ihm wurde der Duft von frischem Heu in die Stadt getragen. Fredblickte zum Himmel. Auf den Bus wollte er verzichten, zumal der Weg nach Grantchester einen Spaziergang wert war.
Mit den Grantchester Meadows hatte er die letzten Häuser hinter sich gelassen und marschierte nun den großzügigen Fußweg entlang, von dem aus man einen schönen Blick auf
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