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Der Tod bin ich

Der Tod bin ich

Titel: Der Tod bin ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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be come Death, the shatterer of worlds.«
    Current Biography Yearbook
, 1964
    Als in der Nacht zum 5. Oktober
Sputnik
zum erstenmal die Vereinigten Staaten überflogen hatte, schloß am nächsten Morgen die
New York Herald Tribune
: »Der sowjetische Satellit ist in amerikanisches Hoheitsgebiet eingedrungen. Theoretisch haben wir das Recht, ihn herunterzuholen.«
    Spiegel
, 30.10.1957

1.
    Am vierten Oktober neunzehnhundertsiebenundfünfzig zog in Tjuratam eine frostige Nacht herauf. Vorbote eines langen und harten Winters. Als die Wolken aufrissen, zeigte sich ein Ausschnitt des sternenklaren Himmels mit einer scharf gezeichneten Mondsichel. Von Scheinwerfern rundherum angestrahlt, stand die dreißig Meter hohe Rakete auf der Startrampe des Kosmodroms, inmitten des kahl planierten Landstücks wirkte sie wie eine riesige weiße Kerze.
    Der Hangar war mit der Rampe durch Gleise verbunden. Auf Eisenbahnwaggons hatte man die R7 tags zuvor zum Start gefahren, zu Fuß begleitet von Sergei Koroljow, dem Chefkonstrukteur des sowjetischen Raketenprogramms, der seine Rakete keinen Moment aus den Augen lassen wollte. Eingebettet in ihre Spitze lag eine Hohlkugel aus Aluminium von gut einem halben Meter Durchmesser, deren Außenfläche blank poliert glänzte: der Sputnik. Die Kugelform hatten die Konstrukteure als zweckmäßigste ermittelt, sie war platzsparend, bot äußeren Einflüssen gegenüber eine geringe Angriffsfläche und reflektierte durch ihre spiegelnde Außenhaut die Sonnenstrahlung. Für Koroljow war darüber hinaus die Idee von Vollkommenheit maßgeblich, wie sie nur das Runde verkörpern konnte. Seiner Anordnung zufolge durfte die Kapsel nur mit weißen Handschuhen angefasst werden. In das Innere des Satelliten war ein Sender eingebaut, der über vier krakenarmlange Antennen Signale zur Erde funken sollte. Die Mission des Sputnik beschränkte sich darauf, in den Orbit zu gelangen und dies der Welt kundzutun.
    Die Gerüste, mit deren Hilfe die letzten Wartungen vorgenommenwurden, waren zurückgefahren worden. Bereits am Morgen war die Rakete mit Kerosin und Sauerstoff betankt worden. Ihr matter Glanz im Licht der Scheinwerfer verriet, dass ihre Oberfläche von Raureif überzogen war.
    – Danke, verstehe, unterbrach der grauhaarige Offizier die Ausführungen eines jungen Manns.
    Oberst Chalimow vom KGB hatte sich für Aaron Malikow als Begleiter zum Kosmodrom entschieden. Er war zum Ingenieur ausgebildet worden und konnte daher nützliche Hinweise geben, was draußen vor dem Blockhaus, das als Startbunker diente, vor sich ging. Malikow trat einen Schritt zurück, schnippte die Zigarette aus der Tür und lehnte sich gegen einen Pfosten. Seit geraumer Zeit nahm niemand mehr von ihnen Notiz. Die letzten Systemüberprüfungen liefen, Statusmeldungen wurden gerufen und quittiert, jeder in Koroljows Gruppe hielt sich strikt an die ihm zugewiesene Aufgabe. Draußen wurde es nun dunkel, die Scheinwerfer erloschen. Chalimow knetete seine Hände. Die Spannung hatte sich auf ihn übertragen, der Countdown lief.
    Malikow blickte in die Nacht hinaus. Gestern waren sie überhastet von Moskau aus aufgebrochen. Koroljow hatte im letzten Moment den Start um zwei Tage vorverlegt. Ihm lag eine Ankündigung amerikanischer Wissenschaftler vor, nach der sie am sechsten Oktober ein Papier über Satelliten zu veröffentlichen beabsichtigten. Dahinter war mehr als gut formulierte Einsichten zu vermuten. Schon vor zwei Jahren hatte Präsident Eisenhower bekanntgegeben, die USA würden das Geophysikalische Jahr durch einen besonderen Beitrag krönen, den Start des ersten Satelliten von Menschenhand. Koroljow befürchtete daher, noch im letzten Moment abgefangen zu werden. Auch der KGB befürwortete daher die Änderung des ursprünglichen Plans.
    Die Zündung erfolgte. Chalimows Augen wurden schreckensweit.Er fürchtete, eine Explosion habe das Unternehmen schon im Ansatz zum Scheitern gebracht. Flammen bildeten einen Kranz um die Startrampe und züngelten bis zur Rakete hoch. Weißer Rauch begann die R7 einzuhüllen, die plötzlich von einem inneren Glutkern illuminiert schien. Die vier außen angebrachten Booster fauchten, die Erde begann zu beben, und mit ihr vibrierte das Blockhaus. Langsam hob sich die Spitze des Geschosses aus den Schwaden, die Rakete stand in der Luft, taumelte und kämpfte mit der Schwerkraft. Das Fauchen der Triebwerke wurde zum Brüllen, schließlich schob sie sich machtvoll nach oben. Ein Feuerball stieg

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