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Der Tod bin ich

Der Tod bin ich

Titel: Der Tod bin ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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Er hatte in Moskau Oberst Chalimow gegenüber seine Bedenken artikuliert, war aber auf Granit gestoßen. Chalimow argumentierte schneidend. Schließlich war ihnen mit Leuten dieses Schlags ein Coup gelungen, indem man den ehemaligen Obersturmführer Felfe in die Organisation Gehlen eingeschleust hatte. Droste habe versagt, sei aber vielleicht noch anderweitig nützlich. Er solle sich also etwas anderes einfallen lassen, wie man die CIA-Leute wieder unter Kontrolle bekomme.
    Malikow hatte noch Zeit genug, am Bahnhofsimbiss einen Kaffee zu trinken und sich zwei mit Schinken belegte Wecken einpacken zu lassen. Am Zeitungsstand kaufte er ein französisches Magazin, weil auf der Titelseite das Brüsseler Atomium abgebildet war. Es schadete nichts, sich für das kommende Gespräch auf den neuesten Stand zu bringen.
    Zurück in seinem Abteil blätterte er ein wenig in dem Heft und aß die beiden Wecken. Dann nickte er ein. Erschrocken fuhr er nach einiger Zeit auf. Sie näherten sich bereits Kehl. Bald würden die Grenzbeamten den Zug betreten. Malikow suchte mit seiner Aktenmappe unter dem Arm das WC auf. Dort wickelte er seine Stetschkin und die Pobeda in Zeitungspapier, öffnete mit einem Vierkantschlüssel die Tür des Toilettenschranks, hinter der sich der Abfalleimer befand, und schob das Päckchen hinter den Behälter.
    Den deutschen und französischen Grenzbeamten fiel an Malikow, dessen Pass auf den Namen Michail Krostin lautete, wohnhaft in Karlsfeld bei München, nichts Verdächtiges auf.
    – Weiterhin gute Reise und viel Vergnügen in Straßburg!
    Gut gelaunt sammelte Malikow danach seine Habseligkeiten wieder ein, die er in der Toilette deponiert hatte, und verstaute sie in seinem schwarzen Lederkoffer. Auf der Straße wartete Sergej mit dem Wagen, er war von Freiburg herübergefahren.
     
16.
    Vormittags durchstreifte ich Straßburg, das mit seinem Fachwerk, den Fassadenschnitzereien, den Gässchen und Kanälen so gar nichts Großstädtisches an sich hatte. Allerdings war die Provinzidylle durch die Sprachenmischung von einem Geist durchweht, in dem ich etwas für mich ungewohnt Anderes und Fremdes fand. Gegen Mittag langte ich am Münsterplatz an. Die Sonne brannte herab. Sie blendete, und so konnte ich den sich in den Himmel reckenden Turm der Kathedrale nicht ins Auge fassen. Ich betrat die Kirche und nahm auf einer Bank Platz. Innen war es angenehm kühl, und das harte Mittagslicht flutete durch die bunten Mosaikscheiben warm in das Innere.
    Im Münster befanden sich kaum Besucher. Für Besichtigungstouren war es zu heiß, Schwimmbad oder schattige Plätze im Freien waren angesagt. Die wenigen, die gekommen waren, hatten sich im südlichen Querschiff versammelt. Ich wusste warum und blickte auf die Uhr. Gleich würde es zwölf Uhr schlagen. Und dann begann an der astronomischen Uhr das Spektakel, auf das alle warteten. Ich erhob mich und gesellte mich dazu.
    Wie ein Hochaltar ragte die astronomische Uhr zwanzig Meter empor. Ein Gitter sorgte dafür, dass niemand dem komplizierten Mechanismus zu nahe kommen konnte. Sie wirkte imposanter, als ich gedacht hatte. Ich wusste genau Bescheid über sie, weil ich mich in ihre Funktionen ausführlich eingelesen hatte. Matussek hatte mich auf sie hingewiesen. In seinem Seminar vollzogen wir die zur Konstruktion notwendigen Berechnungen nach. Aber alle Zahlen und Schilderungen der Straßburger Konstruktion waren nur Platzhalter für das, was ich nun vor mir sah. Die Schwarz-Weiß-Bilder in unserem Lehrbuch hatten zudem nur einen groben Eindruck von ihrer lebhaften Farbigkeit vermittelt. Diese Uhr war ein Wunderwerk!
    Voller Sehnsucht kam mir wieder mein Vater in den Sinn. Ichwünschte, er wäre hier bei mir. Viel von meinem Interesse für die Physik hätte ich hier an dieser Uhr erläutern können. Die genaue Kenntnis der universalen Gesetze und eine überragende Ingenieursleistung hatten bei dieser Konstruktion zusammengewirkt. Auch wenn er davon nichts wissen wollte, hätte es ihn vielleicht überzeugt, dass so ein Apparat nur in der Kirche stehen konnte. Die religiöse Einbettung trug zu seiner geheimnisvollen Ausstrahlung bei und öffnete die Betrachter für die Wunder, die er darstellte.
    Das Getuschel der Zuschauer nahm zu. Ihre Blicke waren fest auf die oberste Etage der Konstruktion gerichtet.
    Bemerkenswerter war jedoch das weniger Spektakuläre, und das befand sich unmittelbar zu meinen Füßen. Am Boden stand eine Himmelskugel aus Kupfer, deren Uhrwerk

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