Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod bin ich

Der Tod bin ich

Titel: Der Tod bin ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
Vom Netzwerk:
auf Frieda. Sei er erst einmal über die Schwelle getreten, verlängere sich ihre Prozedur,sich zurechtzumachen, um ein Vielfaches. Zu Friedas persönlichem Luxus gehörte ein abgetrenntes und neu eingerichtetes Badezimmer, in dem sie noch zu stehen pflegte, wenn
Malzi
unten hupte. Ein Fleck, eine Laufmasche, eine unpassende Farbe – immer traten Komplikationen auf, und so mussten Leni oder ich auf die Straße zu
Malzi
laufen, um ihm zu sagen, dass es heute noch etwas dauere.
    – Ich gebe ihr noch zehn Minuten. Dann bin ich weg!
    Malzi
zwinkerte mir zu. Bei Frieda löste diese Botschaft Hektik aus. Gehetzt, mit dem Mantel über dem Arm, küsste sie schließlich Leni und mich zum Abschied auf die Wange und rannte die Treppen hinunter.
    – Holt euch eine Flasche Wein aus dem Keller.
    Sie warf die Tür hinter sich zu, und man hörte draußen den Wagen starten. Nun kehrte Ruhe ein, und Leni deckte für uns in der Küche. Anfänglich verliefen unsere gemeinsamen Essen etwas steif, aber mit der Zeit wurde ein einträchtiges Beisammensein daraus. Leni stand alleine da, ihre Eltern waren im Krieg umgekommen. Ich hatte noch Probleme, mich in der neuen Situation zurechtzufinden. Nachdem alle Scheu verschwunden war, hatten wir einander viel anzuvertrauen. Wir saßen zusammen, tranken Wein und redeten, anschließend half ich Leni beim Spülen und Abtrocknen. Ich freute mich auf den Dienstag wie auf eine Verabredung.
     
12.
    Tante Frieda pflegte abends um halb elf noch einen Portwein zu nehmen, dann war Bettruhe angesagt. Wenn ich noch lesen oder mich anderweitig beschäftigen wollte, musste ich das in meiner Kammer tun.
    Gegen halb zwölf löschte ich eines Abends das Licht. Ich konnte jedoch nicht einschlafen und wälzte mich gedankenschwer im Bett. Crookshank hatte versprochen, dass sich die Eidgenössische TechnischeHochschule melden würde. Seit dieser Zusicherung waren jedoch schon mehr als vier Wochen vergangen. Auch einen Kontaktmann hatte er schicken wollen. Ich setzte mich auf. Das Fenster stand offen, ein laues Lüftchen wehte herein. In der mondhellen Nacht war zu sehen, wie sich die schlanke Tanne im Wind wiegte. Draußen auf dem Gang war ein Rascheln zu hören. Ich erschrak, als die Klinke zu meiner Tür sacht heruntergedrückt wurde. Dann stand Leni im Raum. Ich fuhr hoch, sie aber legte ihren Finger auf den Mund. Sie zog ihr Nachthemd über den Kopf und schlüpfte zu mir ins Bett. In der Dunkelheit schien mir ihre Haut fast weiß. Ich wollte etwas sagen, aber sie hielt mir einfach den Mund zu. Dann knöpfte sie meine Schlafanzugjacke auf und zog mir die Hosen herunter. Sie legte sich auf mich. Ich spürte ihre weiche Brust. In unsere gemeinsame Wärme mischte sich der reinliche Duft ihres frischen Haares und der Veilchengeruch ihrer Hautcreme. Schon da war ich überwältigt. Eigentlich hatte ich sie wegschicken wollen, ich war auf kein Abenteuer aus. Ich wagte zunächst nicht, sie anzufassen. Als ich ihr dann zart über den Rücken strich, spürte ich unter meinen Fingerspitzen ihre Gänsehaut aufziehen. Schließlich hielten wir uns lange umfangen, so bedürftig und eng, als könnten wir nun von Haut zu Haut atmen. Dieses wortlose Einverständnis hatte ich am meisten gesucht. An ihr konnte ich mich festhalten.
    Irgendwann spät schliefen wir ein. Als ich gegen vier Uhr aufwachte, war sie verschwunden.
    In der folgenden Zeit setzte sie ihre nächtlichen Besuche fort, allerdings unregelmäßig, immer dann, wenn sie es wollte.
     
13.
    Es klingelte. Tante Frieda saß in ihrem lachsroten Morgenrock am Frühstückstisch und schickte mich nach draußen. Der Postbotestand vor der Tür und überreichte mir einen Brief, den ich mit Empfangsschein quittieren musste. Ich legte das Kuvert auf den Tisch. Die Adresse war maschinengeschrieben, der Absender aufgedruckt.
    – Irgendetwas Behördliches, stellte Frieda fest.
    Hastig riss ich den Umschlag auf und nestelte das Papier aus dem Umschlag. Tante Frieda beobachtete mich ein wenig furchtsam über ihr Marmeladebrötchen hinweg. Der Wirklichkeitssinn ihrer Generation war immer noch kriegsversehrt, man misstraute allen Schreiben von behördlicher Seite. Sie befürchtete nichts weniger als einen sofortigen Ausweisungsbefehl und gestempelten Remigrationsbeschluss.
    – Das ist meine neue Stelle, rief ich.
    Ich strich das Schreiben glatt und hielt es ihr hin. Ein Traum! Ich mochte mein Glück kaum fassen. Der Schweizerische Schulrat, das Verwaltungsorgan der ETH Zürich,

Weitere Kostenlose Bücher