Der Tod bin ich
woran Sie arbeiten.
29.
Ashtons Büro befand sich auf demselben Gang.
– Setzen Sie sich!
Er holte aus seinem Schrank einen elektrischen Kessel und setzte Wasser auf. Auf einen Teller drapierte er Haferkekse und Shortbread und stellte ein Schälchen mit Teebeuteln in die Mitte.
– Alles da, wie Sie sehen! Ich bin schon ein halbes Jahr hier, aber der Nachschub funktioniert.
Sein Deutsch war flüssig und hatte einen schweizerischen Einschlag.
– Wie kommt das, dass man Sie hierher gewissermaßen ausgeliehen hat?
Ashton lachte.
– Kann man so nicht sagen. Ich habe dringend darum gebeten, das für mich zu arrangieren.
Er goss das kochende Wasser in die bereitgestellten Tassen.
– Ich arbeite nun schon seit einigen Jahren an einem ziemlich komplexen Projekt.
– Schon etwas dazu veröffentlicht?
Ashton deutete mit Daumen und Zeigefinger eine kleine Spanne an.
– So viel fehlt mir noch. Und nach Lage der Dinge bekomme ich das ohne Petri nicht hin. Deshalb bin ich hier.
Ich rührte in meiner Tasse.
– Und worum geht es bei Ihrem Projekt?
– Sie verstehen, dass ich in diesem Stadium kein Interesse habe, meine Arbeit an die große Glocke zu hängen …
Ich nickte. So ähnlich hätte ich das an seiner Stelle auch formuliert.
– … aber von der Grundidee her können Sie sich das so vorstellen: Vor nicht allzu langer Zeit war man davon überzeugt, dass wir mit einigen wenigen Elementarteilchen wie Proton, Neutron und Elektron über die Runden kommen. In diesen Tagen hatten wir eine wirklich übersichtliche Atomphysik! Und nun? Sie wissen, dass man inzwischen geradezu eine Unzahl von Teilchen gemessen hat, flüchtige Partikel, die nur ein paar Millisekunden überleben.
– Der Teilchenzoo.
– Genau. Ein unübersichtliches Gewimmel, das einen glauben machen möchte, dass es in der Natur nur Chaos und keine Ordnung gibt.
Ich wusste Bescheid. Man hatte schon vor Jahren angefangen, mit Fotoplatten ausgerüstete Gasballons in höhere Schichten der Atmosphäre zu schicken. Dass die Erde einer dauernden kosmischen Strahlung ausgesetzt war, gehörte inzwischen zu den gesicherten Erkenntnissen. Dieser Teilchenregen kollidierte beim Eintritt in die Atmosphäre mit anderen Atombausteinen und sprengte ihre Kerne auseinander. Dabei entstanden neue Partikel, die man als Lichtspritzer auf den Fotoplatten dokumentiert fand. Offenbar waren wir noch längst nicht bei dem wirklich Unteilbaren angekommen.
– Aber alle diese neuen Teilchen sind doch experimentell bestätigt und lassen sich nicht mehr wegdiskutieren.
Ashton lächelte.
– Wer will das denn? Ich möchte doch nur ein bisschen aufräumen.
– Und wie soll das zugehen?
– Wenn man alle Befunde und Zahlen, die wir über sie haben, zusammenträgt, zeigt sich, dass einige von ihnen derselben Symmetriegruppe angehören …
– Sie meinen, man könnte diese ganze komplizierte Tabelle radikal vereinfachen, weil sie nur verschiedene Ausprägungen desselben darstellen?
Er nickte.
– Das wäre ja wirklich ein Ding!
Es würde, so dachte ich mir den Rest, Ashton in die erste Riege der Physiker katapultieren.
– Aber …
Ashton schüttelte den Kopf.
– Belassen wir das so.
– Und Petri?
– Petri ist ein exzellenter Mathematiker, der mir helfen kann, das Problem zu formalisieren und korrekt umzusetzen. In diesem Bereich kann ihm keiner das Wasser reichen.
30.
Die Tür stand offen. Dennoch blieb Joe Salantino stehen und klopfte vorsichtig an. Bradley Goldberg blickte von seinen Unterlagen auf.
– Treten Sie ein, Lieutenant!
Goldberg schichtete die ausgebreiteten Papiere zusammen und steckte sie in den Ordner zurück.
– Wenn Sie schon mal Platz nehmen möchten?
Goldberg zog aus seiner Westentasche einen Schlüssel, schloss eine Schublade seines Schreibtischs auf und verwahrte dort die Akten.
– Vor Ihnen liegt die Liste für Thanksgiving, Lieutenant, in die Sie sich eintragen können.
– Muss ich das jetzt schon festlegen? In ein paar Wochen kann doch eine Menge passieren.
– Geht leider nicht anders. Wir sind ja hier vom Nachschub abgeschnitten. Versuchen Sie mal in Berlin Cranberrys und Süßkartoffeln aufzutreiben. Muss alles von zu Hause eingeflogen werden.
Joe Salantino beugte sich über den Tisch und setzte seinen Namen in die vorgesehene Rubrik. Goldberg setzte sich ihm gegenüber in den Sessel.
– Ich möchte mit Ihnen ein Problem erörtern, Lieutenant, das sich durch Ihre Erkenntnisse vielleicht schon als
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