Der Tod bin ich
gegenstandslos erweisen könnte. Kaffee?
Salantino nickte.
– Ende des Monats treffen sich Engländer, Russen und unsere Leute in Genf, um über einen Stopp bei Atomwaffen-Tests zu be raten.
– Ist mir bekannt.
– Wir halten diesen Stopp für nützlich. Unser Know-how ist ausgereift, wir wissen genug.
– Sehe ich auch so.
– Unser nukleares Arsenal dürfte nach unserem Kenntnisstand größer sein als das der Russen, allerdings sind sie uns bei den Interkontinentalraketen voraus. Ihre Bewertung scheint zutreffend, Chruschtschow hat damit inzwischen unverhohlen gedroht. Die Engländer haben wir ausgestattet. Also zwei zu eins, wenn es hart auf hart käme.
– Ich teile Ihre Einschätzung, Sir. Wenn allerdings noch weitere Staaten dazustoßen würden, geriete die Sache entschieden unübersichtlicher.
– Exakt. Wir wissen, dass sich Adenauer und Faure heimlich getroffen haben. Ziel des französischen Außenministeriums ist eine Kooperationin der Nukleartechnik, um wieder auf gleicher Augenhöhe mit uns Politik machen zu können.
– Auch die Chinesen unternehmen Anstrengungen in diese Richtung.
– Mag sein. Konzentrieren wir uns aber zunächst auf die Verhandlungen in Genf. Die Sowjets werden vermutlich in Genf einen eigenen Vorschlag für ein Testmoratorium unterbreiten. Ganz in unserem Sinne, denn die anschließende Durchsetzung eines solchen Moratoriums weltweit stärkt unsere Position erheblich. Wir hätten uns nur noch mit den Russen auseinanderzusetzen. Ihren Reichweitenvorteil könnten wir kompensieren, wenn es uns gelingt, nukleare Abschussbasen bei unseren Verbündeten zu installieren. In Deutschland vor allem. Deutschland wird eine solche vorgezogene Front nur dann akzeptieren, wenn sie sich schutzlos fühlen, weil es keine eigene Atombewaffnung aufzubieten hat.
Salantino lächelte.
– Wir haben allen Grund, die Anti-Atomtod-Bewegung zu unterstützen!
– Jedenfalls sind Adenauer und sein Atomminister Strauß in der Defensive. Ich bezweifle, dass sie sich gegen den Druck der Öffentlichkeit werden durchsetzen können. In dieser komplizierten Balance beunruhigt mich jedoch diese Meldung, die mir heute vorgelegt wurde.
Er klappte die Pressemappe auf und reichte sie Salantino hinüber.
Salantino überflog den Zeitungsausschnitt. Es handelte sich um ein Interview, das in einer Illustrierten abgedruckt war. Professor Kaltenbrunner eröffnete einem ehrfürchtig nachfragenden Journalisten, dass er zusammen mit dem Kollegen Petri an einer Weltformel arbeite. Man hoffe, in nächster Zukunft die verschiedenen, sich widersprechenden Stränge der Physik unter das Dach einer einheitlichen Feldtheorie bringen zu können.
Salantino spürte einen unangenehm heißen Druck unter seiner Schädeldecke. Davon hatte er noch nichts gehört.
– Ich bin wissenschaftlicher Laie, sagte Goldberg, es ist daher sinnlos, in eine Spekulation um Worte einzutreten, aber für mich klingt das in seinem umfassenden Anspruch doch sehr bedrohlich. Was, wenn sich dahinter etwas ähnlich Tiefgreifendes verbirgt wie hinter der Entdeckung der Kernspaltung? Würden die Karten in diesem Spiel dann nicht wieder vollkommen neu gemischt?
31.
Zwei Tage später saß ihm Razor gegenüber. Razor war aus Bonn angereist. In der Hauptstadtbotschaft war eine Gruppe von Agenten stationiert, die von dort aus operierten. Joe schob ihm die Mappe mit dem Zeitungsausschnitt zu. Razor griff sich eine Handvoll Erdnüsse aus der Schale, die in der Mitte stand, ließ einen Großteil in den Mund rieseln und las aufmerksam.
– Und, fragte Joe. Warum wissen wir nichts darüber?
– Kaltenbrunner ist schon seit ein paar Jahren damit unterwegs.
Razor zerbiss die Nüsse krachend mit halb offenem Mund. Seine ungehobelten Manieren machten Joe aggressiv.
– Was heißt das?
– Bis jetzt war die allgemeine Einschätzung, dass da nicht viel dahintersteckt.
– Wer sagt das?
– Seine Kollegen. Unsere Leute.
Razors Hosen waren zumeist sandfarben wie Uniformtuch. Darüber trug er ein buntes Hawaiihemd. Joe war es ein Rätsel, wie er es in so auffälliger Kleidung zu einem Topagenten gebracht hatte.
– Bei Kaltenbrunner und Petri handelt es sich doch wohl um zwei anerkannte Wissenschaftler!
– Was hört man dazu von Boy Scout, unserem Mann in Zürich?
Razor fuhr wieder seine Hand aus, um Nüsse aus der Schale zu fischen. Joe konnte die Aufwallung, ihm auf die Finger zu hauen, nur mühsam unterdrücken.
– Nichts. Jedenfalls nichts
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