Der Tod bin ich
Blättern verhandelt wurde, sind spekulative Mord- und Komplotttheorien.
– Liegen die Untersuchungsberichte schon vor, fragte Joe.
– Inzwischen ja. Auf die dort genannten Fakten sollten wir uns stützen. Ich habe das Wichtige daraus zusammengestellt.
Rothfuss holte ein Blatt aus seiner Mappe und begann vorzutragen.
– Oftenhain war für sechs Uhr mit Petri verabredet.
– Wer sagt das?
– Steht so im Vernehmungsprotokoll. Die Aussage von Oftenhain wird von Frau Vogelsang, Petris Sekretärin, bestätigt. Oftenhain trifft also wie verabredet im Institut ein und findet ihn erschossen auf dem Schreibtisch liegend vor.
– Die Waffe?
– Schweizer Modell, eine SIG.
– Mal angenommen, es wäre Selbstmord gewesen: Wie kommt man an so eine Waffe?
Rothfuss lachte.
– In der Schweiz kein Problem: Du gehst um die Ecke und kaufst dir eine.
– Und speziell diese Waffe?
– Ist vor fast zehn Jahren über den Ladentisch gegangen. Der Ersterwerber ist seit vier Jahren tot. Wie es dann weiterging mit dem Ding, kann niemand sagen.
– Kommen wir zum Wichtigsten, sagte Joe. Warum bringt der Mann sich um?
Das Telefon klingelte. Joes Kopf fuhr herum. Er warf einen bösen Blick Richtung Sekretariat.
– Ich hatte ausdrücklich gesagt …
Das Telefon jedoch klingelte weiter.
– Ein Notfall, schlug Loewenstein vor.
Durch diesen Hinweis angespornt stand Joe auf und nahm den Hörer ab.
– Ich weiß, sagte Selma, um allen Vorwürfen zuvorzukommen, ich weiß.
– Okay, was ist los?
– Fred Fridge vom MI6 möchte dich sprechen.
Joe war perplex, er wusste nichts darauf zu sagen und ließ sich stattdessen in seinen Schreibtischstuhl fallen.
– Hier ist Fred Fridge vom MI6.
Fred Fridge hatte einen britischen Akzent, der jene Hochnäsigkeit verriet, die bisweilen in hysterische, höhere Tonlagen ausrutschte. Joe war auf dem falschen Fuß erwischt worden und fühlte sich provoziert.
– Hören Sie, Mr. Fridge, ich bin in einer Sitzung. Geben Sie meiner Sekretärin Ihre Nummer. Ich rufe die nächsten Tage zurück.
Er warf den Hörer auf die Gabel.
– MI6, gab Joe der erwartungsvoll blickenden Runde kund. Wir waren bei einem möglichen Motiv für einen Selbstmord. Was haben wir da?
– Ein gewichtiges: Petri hatte Magenkrebs.
– Seit wann wusste er das?
– Der Befund war neu. Höchstens zwei Tage alt.
– Könnte also hinhauen?
Rothfuss nickte. Die Tür wurde geöffnet und Selma schaute herein. Alle Köpfe wandten sich ihr zu.
– Vince, der Konsul möchte dich sprechen.
Loewenstein zog fragend die Schultern hoch und verließ den Raum. Joe beantwortete die unausgesprochene Frage der anderen.
– Wir machen auch ohne ihn weiter. Nächstes Thema!
– Oftenhain, ergänzte Razor. Weiteres Vorgehen mit ihm.
– Deine Einschätzung?
– Kannst du vergessen! Zürich ist verbrannt, da haben wir keinen Ansatzpunkt mehr. Der Junge ist unzuverlässig. Zu ängstlich, ungeschickt.
– Sehe ich auch so, nahm Joe den Faden auf. Warten wir die Überprüfung ab, aber mein Gefühl ist, der kann uns nicht weiter helfen. Um ihn einsatzfähig zu halten, bräuchtest du einen Babysitter.
Joe erhob sich. Die Sitzung war aufgehoben. In diesem Moment kam Loewenstein zurück. Wie ein Schlangenbeschwörer blickte er Joe mit seinen dunklen Augen lange ins Gesicht und legte ihm dabei seine warmen Hände auf den Unterarm.
– Joe, rufe bitte Fred Fridge vom MI6 an. Ja? Eine Bitte von Konsul Goldberg, ergänzte Loewenstein. Selma hat die Nummer.
Joe nickte.
44.
Selma klopfte an und öffnete dann dem Gast die Tür. Joe erhob sich und streckte dem Ankömmling die Hand entgegen.
– Joe Salantino, freut mich, Sie kennenzulernen.
– Fred Fridge, ganz meinerseits.
– Tee oder Kaffee, fragte Selma.
Fridge wiegte den Kopf.
– Kaffee, entschied er.
Joe wusste nicht, wie er das Gespräch einfädeln sollte. Er hatte Fridge zurückgerufen. In dem Gespräch mit ihm erfuhr er, dass es der erklärte Wille der politischen Führung war, dass sich die beiden zu einer vertraulichen Unterredung trafen. Allerdings hatte Joe keine Ahnung, welches Thema dabei angeschnitten werden sollte.
– Mr. Fridge …
– Fred!
– Was verschafft mir die Ehre, Fred?
Fred Fridge trug ein bequemes, braun gemustertes Jackett. Er griff in die Tasche, beförderte ein ledergebundenes Notizbuch zu tage und warf es zu Joe hin auf den Tisch. In Joe kroch eine Ahnung hoch.
– Das ist es!
Fred lächelte.
– Ein Gastgeschenk.
Joe starrte auf das
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