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Der Tod bin ich

Der Tod bin ich

Titel: Der Tod bin ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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Oftenhain hat heute eine gute Figur gemacht, fand ich.
    Er öffnete die Augen wieder und nickte.
    – Durchaus. Ein bisschen zu gelehrt vielleicht für das anwesende Publikum.
    – Lad ihn doch mal zu uns ein. Frau Rose sagte mir, dass er ein guter Musiker sein soll.
    – Wusste ich gar nicht. Welches Instrument?
    – Geige, hieß es.
    – Einen Streicher kann man immer gebrauchen.
    Kaltenbrunner schloss erneut die Augen. Bald war er eingenickt.
     
5.
    Am anderen Morgen wachte Kaltenbrunner wie gewohnt um sechs Uhr früh auf. Hinter dem Bewuchs des Isarhochufers kroch die Sonnehervor. Es versprach ein schöner Tag zu werden. Alle Niedergeschlagenheit, die ihn gestern gelähmt hatte, war von ihm abgefallen. Pfeifend rasierte er sich. Das Frühstück bereitete er sich selbst. Im Arbeitszimmer packte er seine Aktentasche und hinterließ auf dem Esstisch einen Zettel mit einem Gruß für Laura. Dann machte er sich auf. Das Institut war nur zehn Minuten von seinem Haus entfernt, aber er wollte den schönen Morgen noch für einen ausgedehnten Spaziergang nutzen. Dabei konnte er seinen Ideen nachhängen, auch Pläne und Prioritäten sortierten sich von selbst.
    Kaltenbrunner ging Richtung Oberstjägermeisterbach, um von dort aus in einem großen Bogen zum Institut zurückzukehren. Die feuchte Wiese glitzerte, das Tierleben erwachte auf ihr, und so setzte er sich auf die Bank unter der großen Eiche, um sich der Naturbetrachtung zu überlassen, die ihn stets mit großer Ruhe und Gelassenheit erfüllte. Ein Zug von Ameisen wand sich um das Metallbein der Bank herum in das Gras hinein. Rotbraun gezeichnete Feldsperlinge tschilpten über ihm, Libellen kreisten brummend um den breiten Stamm. Dann endlich stellte er den Blick klar und verstand, was er schon die ganze Zeit über gesehen hatte. Eine Hand lugte hinter dem Baum hervor. Schlief hier jemand seinen Rausch aus?
    Kaltenbrunner sprang auf, um der Sache auf den Grund zu gehen. Auf der Rückseite der Eiche lehnte ein Mann, der zu schlafen schien. Er saß mit gestreckten Beinen da, seine Arme hingen schlaff herab. Der helle Popelinemantel war zugeknöpft, der Hut tief ins Gesicht gerutscht. An seiner Schulter hing ein Fotoapparat.
    – Hallo!
    Aus bloßer Scheu rief er ihn an, denn Kaltenbrunner erkannte sofort, dass er einen Toten vor sich hatte. Um sich endgültig zu vergewissern, fasste er nach seiner Hand, um den Puls zu fühlen. Nun hatte er keinen Zweifel mehr, sie war kalt und steif. Als er den Hut hochschob, bemerkte er, dass der Tote eine Schlinge um den Halstrug. Die geplatzten Adern und die inzwischen schwarz gewordene Färbung des Gesichts verrieten, dass Strangulierung den Tod herbeigeführt hatte. Kaltenbrunner schaute nach oben. An einem dicken Ast baumelte der Rest des gerissenen Seils.
    Kaltenbrunner packte seine Tasche unter den Arm und lief nach Hause.
     
6.
    – Bullshit, schrie Joe Salantino und schmetterte die Tür zu.
    Joe war erregt hin und her gelaufen, bis er in der Tür ein Objekt gefunden hatte, an dem er seinen Gefühlen freien Lauf lassen konnte. Rothfuss zog den Kopf ein.
    – Okay, er hatte depressive Phasen, er war ein Säufer, aber Razor hätte sich nie selbst umgebracht.
    Joe schaute auf die Schale mit Erdnüssen, die Rothfuss unangetastet gelassen hatte. Joe griff hinein, so wie Razor sich seine Portionen herauszuholen pflegte.
    – Und er war trotz allem ein guter Mann.
    Rothfuss nickte. Joe kaute. Da von ihm vorderhand nichts mehr kommen würde, wagte Rothfuss eine Einlassung.
    – Damals in Zürich, vor sieben Jahren …
    Joe hob interessiert den Kopf, Rothfuss fühlte sich ermutigt, fortzufahren.
    – … diese Geschichte mit Razor und dem toten Russen. Auch er war erdrosselt worden.
    Joe winkte ab.
    – Mit den Engländern arbeiten wir seit Jahren zusammen. Und Fred ist in Ordnung. Außerdem, warum sollten sie Razor ausschalten?
    – Du hast vollkommen recht. Aber das meine ich doch nicht! Sieh es mal so herum: Wenn es eine Retourkutsche von den Russen wäre?Eine Schlinge um den Hals statt einem Loch in den Kopf. Schön drapiert für uns. Wie eine Grußkarte. Soll uns sagen, wir vergessen solche Vorfälle wie in Zürich nicht.
    Joe hatte beide Hände vor sich auf den Tisch gelegt und blickte sie an. Er dachte nach.
    – Nicht schlecht, Rothfuss. Da könnte was dran sein.
    Er stand auf und begann wieder auf und ab zu gehen.
    – Die ziehen in München ein Forschungszentrum hoch. So etwas interessiert nicht nur uns. Und dass sich dabei

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