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Der Tod bin ich

Der Tod bin ich

Titel: Der Tod bin ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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Freund und Feind in die Quere kommen, ist gut möglich. Sicher haben auch die Russen dort jemand platziert.
    – Welche Erkenntnisse hatte Razor gewonnen?
    – Soweit wir es von hier überblicken können, noch keine.
    Rothfuss sah ihn ratlos an.
    – Aber mit welcher Zielrichtung hat er gearbeitet?
    – Wir wollten einen Zugang zum inneren Zirkel des Instituts. Razor sollte ihn eröffnen.
    Joe zuckte die Achseln.
    – Du kanntest ihn und seine großspurige Art doch. Er sei auf dem besten Weg, sagte er, und ich solle ihm noch ein wenig Zeit geben. Ich habe das so stehen lassen und wollte ihn nicht festnageln, weil er ja zuletzt einigen Mist gebaut hatte.
    – Aber wir haben doch bereits eine Verbindung.
    – Boy Scout?
    – Genau.
    – Du weißt, dass wir ihn damals komplett überprüft haben. Das Resultat war eindeutig: Auf einen so unsicheren Mann sollte man nicht bauen. Zu skrupulös, beeinflussbar, ein Zauderer. Das Gutachten hat alle diese Probleme benannt.
    – Schon. Aber haben wir denn andere Optionen?
    – Du hast recht, wohl nicht!
    – Es muss ja nur vorübergehend sein, bis wir in München eine funktionierende Struktur aufgebaut haben. Außerdem verdankt uns der Mann doch eine ganze Menge. Hätten wir ihn nicht damals zu Petri gebracht, wäre er heute kein Professor. Man kann ihn zwingen, er ist uns mehr als einen Gefallen schuldig.
    Salantino nahm den Hörer ab.
    – Selma, ich brauche einen Flug nach München.
    Er legte wieder auf.
    – Ich werde ihn mir vornehmen. Und du wertest Razors Hinterlassenschaft aus. Vielleicht findet sich ja noch eine Notiz, Name oder Nummer, irgendetwas, was uns weiterhilft.
     
7.
    Treffen von Ehemaligen gleich welcher Couleur haben für sich genommen schon etwas zutiefst Trauriges. Man kettet sich an ein Teilstück seiner Herkunft und feiert gemeinsam die eigene Beschränktheit. Mir widerfuhr das besonders krass, weil ich unfreiwillig vereinnahmt wurde. In meinem Kalender stand einmal im Monat der Eintrag
Leipziger Kreis
und meine Anwesenheit war obligatorisch. Dieser Kreis traf sich vorzugsweise in Lokalen, die von Vertriebenen und Ostblockflüchtlingen besucht wurden, und man aß baltisch, böhmisch oder gelegentlich auch jugoslawisch. Anschließend gab es einen Diavortrag, der mit unserer Heimat hinter dem Eisernen Vorhang zu tun hatte, die wir verloren hatten. Da ich es inzwischen zu einer akademischen Position gebracht hatte, kam ich nicht umhin, auch selbst etwas beizutragen. Ich entschied mich für einen Vortrag über August den Starken, ein unverfängliches Thema, bei dem man nicht viel falsch machen konnte.
    Der Zweck meiner Anwesenheit war, regelmäßig Helmut zu treffen, ein dürres, flachsblondes Männchen von undefinierbarem Alter,das irgendwo zwischen dreißig und fünfzig liegen musste. Im Verlauf des Abends nahm er mich beiseite. Wir versuchten, miteinander zu plaudern, was stets etwas angestrengt wirkte, weil wir uns nichts zu sagen hatten. Helmut bat mich schließlich um eine Zigarette, und so konnte ich ihm die Packung zuschieben, in der sich mein Bericht befand und manchmal auch das Negativ von Dokumenten, die ich fotografiert hatte. Weder das eine noch das andere hatte einen besonderen Wert über das hinaus, was man über unsere Arbeit ohnehin schon wusste. Meinem Eindruck nach wollte man mich nicht von der Leine lassen. Seit der Ermordung von Petri wusste ich zuviel. Wenn ich selbst schmutzige Hände hatte, würde ich nicht auspacken. Von Zeit zu Zeit kam Malikow persönlich, und das Gespräch fiel dann etwas ausführlicher aus, bisweilen auch massiver. Wie viele von den Umsiedlern und Revanchisten, wie er sie nannte, in diesem armseligen Verein der Staatssicherheit oder dem großen russischen Bruder zuarbeiteten, wusste ich nicht. Ich hatte ausschließlich mit Helmut oder ihm zu tun.
    Gerade weil mir diese Treffen so gegen den Strich gingen, hatte ich immer wieder Anlass, mit der Situation zu hadern, in der ich steckte. Natürlich stellte ich mich nicht freiwillig zur Verfügung, man hatte mich in die Position eines Handlangers gepresst. Allerdings war mein Vater vor zwei Jahren gestorben. Dass er meine Entscheidung, mit seinen Peinigern zu kooperieren, nicht gebilligt hätte, daran habe ich nie gezweifelt. Im Gegensatz zu mir war er ein Aufrechter, der sich querstellte, selbst wenn er dafür Nachteile in Kauf nehmen musste. Ich hingegen funktionierte. Aber er hatte immer den Vorzug gehabt, für sich alleine handeln zu können. Wie er sich verhalten

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