Der Tod des Landeshauptmanns
Buchumschlages unterbringen. Wenn man noch dazu vorher eine quadratzentimeterkleine Fläche mit einer Rasierklinge ausschneidet, die Speicherkarte hineinlegt und eine Buchseite darüber klebt, würde man von außen nichts bemerken. Doch Bugelnik erschien das zu naheliegend. Nein, er war sich sicher, dass er in der Küche fündig werden würde.
Zum Glück, das war der erste Eindruck, den der Kommissar hatte, zum Glück war Stragger ein ungewöhnlich ordnungsliebender Hausherr. In jedem Oberschrank war alles so eingeräumt, als wäre das eine dieser Vorzeige-Küchen, wie er sie kürzlich gemeinsam mit seiner Frau im Möbelhaus Rutar besichtigt hatte. Die Gläser glänzten, die Schalen und Teller standen nach Form und Farbe geordnet in einer Reihe, nichts, absolut nichts machte den Eindruck, als könnte hier etwas verborgen sein.
In den Schubladen sah es kaum schlechter aus, freilich, die Möglichkeiten, hier etwas zu verstecken, waren hundertmal vielfältiger. Mehl, Salz, Zucker, alles war fein säuberlich in Glasgefäße gefüllt, die Versuchung war groß, jedes einzelne Gefäß aufzumachen und den Inhalt auf den Tisch zu leeren, um herauszufinden, ob Stefan Stragger dort …, nein, später.
Nudeln, Reis und alle Gewürze – wie kann man nur so ordentlich sein, dachte Bugelnik. Nächste Lade: Töpfe, Pfannen, Siebe, Käsereibe, wohl kaum ein Ort, wo sich etwas Elektronisches verstecken ließe. Es war aussichtslos.
Bugelnik setzte sich an den Küchentisch, er wusste, dass er nur einen geringen Prozentsatz jener Arbeit hinter sich hatte, die vielleicht – vielleicht – zum Ziel führen würde. Wieder blickte er sich um. Eine Küchenuhr tickte leise vor sich hin, der Kühlschrank rumpelte gerade wieder in die Ruhephase, die Tür des Geschirrspülers war leicht geöffnet. Bugelnik erschien es ziemlich unwahrscheinlich, dennoch stand er auf, ging zur Wand und hob die Uhr (darauf stand: „Ascot“ und „funkgesteuert“) vom Haken, legte sie, Ziffernblatt nach unten, auf den Tisch. Nichts kam ihm verdächtig vor: Das Plastikgehäuse war schwarz, nur die Batterie leuchtete blau-silbern mit einem kleinen gelben Streifen. „Quartz“ stand da zu lesen, und „radio controlled“, darüber war ein großer Stumpf mit der typischen Öffnung für den Nagel, auf dem die Uhr an der Wand hing. Bugelnik blickte hinein und zu seiner großen Überraschung glaubte er drinnen einen Fremdkörper zu entdecken. Etwas kleines, Schwarzes, kaum zu Erkennendes. Er nahm aus seinem Schweizermesser, das er immer bei sich trug, die kleine Pinzette heraus und fuhr damit in die Aufhängeöffnung der Uhr. Er drückte die beiden Blechteilchen der Pinzette zusammen, und als er das Gefühl hatte, das kleine schwarze Ding gefangen zu haben, zog er sie wieder heraus: Tatsächlich hatte er eine Minispeicherkarte herausgefischt, kleiner, als er je eine gesehen hatte, aber, dachte sich Bugelnik, Stragger ist schließlich beim HNA, die werden schon mit den aktuellsten Gadgets operieren. Viel anzufangen wusste Bugelnik mit dem winzigen Ding freilich nicht: Er las „SanDisk 8 GB“ und „Micro SDHC“ – ihm war klar, dass er zuhause keine Möglichkeit haben würde nachzusehen, was auf der Speicherkarte drauf war. Er könnte seinen Sohn Herbert bitten, der hatte alle Geräte, mit deren Hilfe man sicher auch so eine Speicherkarte ablesen konnte, doch dann würde er Herbert noch weiter in seine Arbeit hineinziehen. Nein, ich fürchte, überlegte Bugelnik, ich muss jemanden in meinem Amt bitten, die Karte auszuwerten, oder noch besser, sie sollen mir einfach ein Gerät ins Büro stellen, damit ich mir dort ungestört den Inhalt ansehen kann. Bugelnik griff in die Hosentasche, nahm sein Brillenputztuch heraus, das er immer mit sich trug, und wickelte das Ding ganz vorsichtig damit ein. Dann überzeugte sich der Kommissar noch einmal, dass er auch alles wieder an seinen gewohnten Ort gestellt hatte, und verließ das Haus.
Im Polizeikommissariat stieß Bugelniks Ersuchen, ihm ein Kartenlesegerät zur Verfügung zu stellen, mit dem auch eine „Micro SDHC“ abgelesen werden konnte, auf Kopfschütteln. Die meisten hatten noch nie von einer derartigen Karte gehört, und als sie Bugelnik aus seinem Brillenputztuch auswickelte und vorzeigte, war das Unverständnis noch größer. So etwas Kleines hatten sie noch nie gesehen. Doch dann tauchte ein Mitarbeiter auf (Bugelnik hatte den Eindruck, der Mann sei direkt von der Ausbildung ins Kommissariat übersiedelt,
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