Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svende Merian
Vom Netzwerk:
vor der Tür abgesetzt hat. Wie er dauernd Gas gibt und noch nicht losfährt. Habe plötzlich die Assoziation eines großen schwerfälligen Käfers, der brummt und nicht von der Stelle kommt. Der Käfer ist nicht mehr das Auto, sondern Uli selber. Ein riesiger Maikäfer, der auf dem Rücken liegt. Hilflos und auf andere angewiesen, die sich seiner erbarmen. Alleine nicht mehr fähig, sein Leben fortzuführen. Hilflos brummt der große schwerfällige Käfer vor sich hin und tut mir leid, weil ich ihn nicht mehr liebe. Ich empfinde nur noch Mitleid für ihn. Und er möchte von mir geliebt werden. Und als mir das bewußt wird, tut er mir noch doppelt leid.
    Ich werte das Mitleid, das ich Arne gegenüber empfinde, auch als Zeichen, daß ich anfange, drüber hinwegzukommen. Er ist nicht mehr ein nicht in den Griff zu kriegendes Etwas, das mich in meiner emotionalen Abhängigkeit in der Hand hat. Sondern er ist plötzlich jemannd, der viel schwächer ist, viel unsicherer als ich. Jemannd, den ich hinter mir lasse, wenn ich jetzt meinen Weg alleine weitergehe.
    Aber bei allen Erklärungen für sein Verhalten: Es ändert nichts an der Tatsache, daß er sich total chauvinistisch verhält und nur mit Holzhammerschlägen vor den Kopf aufgeweckt werden kann. Dienstag nachmittag kaufe ich eine lila Sprühdose mit Ölfarbe. Im Sonderangebot für 6,95 DM. Immer noch ganz schön teuer. Aber das laß ich mir was kosten.

    Am Mittwochmorgen schaffe ich es zum erstenmal wieder, ohne Schwierigkeiten ganz früh aufzustehen, obwohl ich tierisch wenig geschlafen habe die letzte Zeit . Aufregung und Vorfreude auf der Fahrt. Hoffentlich ist er nicht ausgerechnet heute krank oder aus irgendwelchen anderen Gründen nicht zur Arbeit gegangen.
    Es ist dunkel bei ihm in der Wohnung. Wir können uns Zeit lassen. Wir wischen mit einem Lappen erst mal den Dreck von den Fenstern, damit die Farbe auch gut hält. Kann der Kerl froh sein, daß wir ihm noch die Fenster putzen. Und dann fangen wir an. Überlegen uns vorher gut, wie wir uns den Platz einteilen. Lassen uns Zeit. Sprühen sorgfältig. Erst schön dünn, damit die Farbe nicht runterläuft und es so dicke Farbnasen gibt. Und bei den wichtigen Buchstaben noch mal drübersprühen. Die Leute, die vorbeikommen, gucken, wundern sich vielleicht kurz und gehen weiter, ohne stehenzubleiben. Als wir fertig sind, machen wir in aller Ruhe noch Dias. Damit wir auch ’n Erinnerungsfoto an diesen historischen Augenblick haben. Es sieht wirklich toll aus. Auch von weitem gut zu lesen. Das Haus ist ganz dunkel. Rotes Mauerwerk und dunkelgrüne Fensterrahmen. In grellem Lila leuchtet uns «Auch hier wohnt ein Frauenfeind» entgegen.
    Schade, daß ich nicht im Haus gegenüber am Fenster sitzen kann, um Arnes Gesicht zu sehen, wenn er nach Hause kommt. Nachmittags gegen halb vier werde ich immer aufgeregter. Jetzt kommt er von der Arbeit und steht grade vor seiner Haustür. In mir jubelt alles.
    Am Abend kreisen meine Gedanken um die Zukunft. Wie sich mein Verhältnis zu Arne wohl in einigen Monaten oder gar in einigen Jahren gestalten wird? Wie es wohl in seinem Bekanntenkreis aufgenommen wird, was da an seinem Fenster steht? Hoffentlich läßt sich erst mal keine Frau mehr mit ihm ein. Wenn er grade hinter einer her ist und die ihn dann fragt: «Warum steht denn das an deinem Fenster?» Ob er ihr dann wohl meinen Brief zeigt? Ob er ihr die Wahrheit sagt? Ob die Frau dann sagt: «Also hör mal, Typ, wenn du so einer bist, will ich nichts mehr von dir.» Und dann ist er sie los. Ha! Dann kann er mit ihr nicht so ’n Chauvi-Kram machen wie mit mir. Das geschieht ihm recht. Und wenn er dasteht und die Farbe von seinem Fenster abkratzt. Hoffentlich kommen dann viele Linke vorbei, und es ist ihm ordentlich peinlich. Und alle wissen: Da hat eine Frau Gründe dafür gehabt, «Frauenfeind» an sein Fenster zu schreiben.
    So in vier Wochen oder so, da werde ich eines Abends, so als wenn nichts gewesen ist, bei ihm vor der Tür stehen und ihn fragen, in welcher Kneipe er denn jetzt mit mir ’n Bier trinken möchte? Dann werd ich ihn mal fragen, was er aus unserer «Beziehung» gelernt hat. In aller Freundschaft ein Bier mit ihm trinken. Darauf freue ich mich. Aber erst in vier Wochen oder so. Im Moment will ich erst mal meine Ruhe haben. Ich habe nicht mehr das Bedürfnis, ihn bald zu sehen, ihm hinterherzulaufen.

    Als ich am nächsten Abend am Abendbrottisch sitze, kann ich mich zum erstenmal wieder so richtig drauf

Weitere Kostenlose Bücher