Der Tod des Maerchenprinzen
habe ich Dir auch noch so lange die Möglichkeit gegeben, mich zu verarschen. Und Du hast sie fleißig genutzt. Dir immer neue Sauereien geleistet. Wie zum Beispiel: «Es wundert mich immer wieder, wie wenig Substanz Du hast.» —Und ich Trottel sage zwar sofort, daß der Spruch eine Unverschämtheit ist, lasse mich dann aber wieder auf eine Diskussion darüber ein. Lasse mich wieder darauf ein, Dir zu beweisen, daß ich doch «Substanz» habe. Du stellst mal wieder, alles durchblickend, fest, daß mein Geschichtsinteresse rückwärts gerichtetes Bewußtsein ist. Während Du natürlich ein vorwärts gerichtetes Geschichtsinteresse hast. Wenn ich ein Bild male mit Wiesen und Wäldern, dann ist das weltfremd, reaktionär, nicht ganz ernst zu nehmen. Wenn Du ein Bild malst mit Wiesen und Wäldern, dann drückt das Dein Verhältnis zur Natur aus. Du bist ein Schwein!
Und genau derselbe Konflikt ist an allen Ecken und Enden durchgebrochen. Bei all den Diskussionen, wo ich sagte: «Mir ist unklar, weshalb ich mit Dir immer an einem bestimmten Punkt die Diskussion abbrechen muß. Ich spüre, daß es immer dasselbe ist, aber ich weiß nicht, was es ist.» Jetzt weiß ich es. Wenn ich mir jedesmal beweisen will, daß Du doch nicht so voller Frauenverachtung steckst, wie ich es im Grunde spüre, und Du mir jedesmal beweist, daß es doch so ist... Und wenn ich in der Diskussion genau daran wieder vorbeigucken will, weil ich nicht wahrhaben will, daß Du ein Schwein bist, dann spitze ich natürlich auch die Widersprüche nicht zu. Lasse immer noch eine kleine Möglichkeit offen, wo ich mir sagen kann: Ja, guck mal, es ist doch gar nicht so sicher, daß er das so schweinisch gemeint hat.
Interessant ist, daß Du das mit Sabine genauso gemacht hast. Sie mit ihrem Kunststudium genauso von oben herab behandelt hast. Und nachdem sie mit Dir Schluß gemacht hatte, plötzlich ein total aufgesetztes Interesse an Kunst zur Schau getragen hast. Worin liegt eigentlich Deine «Substanz», wenn Du es nötig hast, die Frauen, mit denen Du zusammen bist, menschlich derart zu degradieren? Ich war nicht die erste, und ich werde wohl leider nicht die letzte Frau sein, der Du mit so einer Frauenverachtung gegenübertrittst. Du wirst nie in der Lage sein, ’ne wirklich menschliche Beziehung zu ’ner Frau aufzubauen mit dieser Haltung. Oder Du mußt Dir wirklich so ’n richtiges Dummchen suchen, die das mit sich machen läßt und zu Dir aufschaut.
Du bist an Sabine so rangegangen. Und auch an mich. Du hast nie meine Persönlichkeit akzeptiert und versucht, mich kennenzulernen. Du hast Deine Schublade gehabt. In der war ich drin: die Frau ohne Substanz. Weltfremd. Rückwärts schauend. Ohne Selbstbewußtsein. Eine schwache Persönlichkeit. Und das hast Du mir dauernd in allen erdenklichen Formen um die Ohren gefetzt. Und ich habe es lange mit mir machen lassen. Habe mich darauf eingelassen, mich zu rechtfertigen. Dir beweisen zu wollen, was andere Menschen von vornherein akzeptieren: Nämlich, daß ich eine ernst zu nehmende, gleichwertige Persönlichkeit bin. Daß ich «Substanz» habe. Du Schwein!
Habe mich darauf eingelassen, weil ich nämlich einen Schwachpunkt ja auch wirklich hatte. Nämlich den, daß ich Dich immer noch geliebt habe. Ich habe mich immer nur mit halber Kraft wehren können, weil ich Dich immer noch geliebt habe und nicht wahrhaben wollte, daß Du meine ganze Person mißachtest. Wie kann man das auch von dem Menschen wahrhaben wollen, den man liebt.
Scheiße, daß ich fünf Monate gebraucht habe, um das zu erkennen. Ach nee, es sind nur vier. Am 13 . September hab ich Dich kennengelernt. Aber besser eine späte Erkenntnis als gar keine.
Mich kotzt Deine Unehrlichkeit an. Erst zu mir zu sagen, Du seist zu einem Gespräch mit Jan und Uschi bereit, Freitag abend vorzuschlagen, mit der Bemerkung: «Ich weiß noch nicht genau, ob ich Zeit habe.» Am Dienstagmorgen noch zu sagen: «Ich ruf euch noch an.» Und Dir dann ’n gemütlichen Abend in der Zwiebel zu machen. Ohne anzurufen natürlich. Sag doch gleich: «Ich bin dazu nicht bereit.» Sag doch gleich: «Mir ist es scheißegal, wie’s dir geht.» Das wäre wenigstens ehrlich, Du Schwein! Aber ehrlich sein konntest Du ja die ganze Zeit noch nicht, seit ich Dich kenne. Dazu hast Du leider etwas zu wenig «Substanz». Ich frag mich, wie oft ich jeden Abend bei Dir vor der Tür stehen müßte, bis Du endlich mal ehrlich sagst: «Du nervst mich.» Und Dich nicht mehr nur
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