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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svende Merian
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freuen, daß ich gleich ’n Termin habe. Daß ich gleich über Afghanistan diskutieren werde. Ich kann mich wieder auf so was wie ’ne politische Diskussion freuen. Als er klingelt, steht Uschi auf und fragt durch die Sprechanlage: «Wer ist da?»
    «Arne», tönt eine dunkle, weiche Stimme durch den Lautsprecher.
    Uschi drückt den Summer, öffnet die Wohnungstür.
    «Hast du das gehört?» fragt sie mich. Ja, natürlich habe ich es gehört. Ich sitze ja schließlich einen Meter daneben und esse. Gehört habe ich es. Aber es dauert eine Weile, bis es in meinem Kopf ankommt. Arne steht unangemeldet unten vor der Haustür. Heute. Am Donnerstagabend. Einen Tag nach der Sprühaktion.
    Arne kommt in die Tür. Uschi, Jan und ich sitzen im Flur am Tisch und essen Abendbrot. Arne hängt seine Jacke an die Garderobe. «Wenn du Tee willst, mußt du dir ’ne Tasse aus der Küche holen», sage ich. Arne geht in die Küche. Wir drei grinsen uns verhalten an. Arne setzt sich mit seiner Tasse neben mich, schenkt sich Tee ein. Keiner von uns sagt was.
    «Schöner Spruch, den ihr da angemalt habt. Aber ich mach ihn nicht weg», meint Arne endlich und eröffnet damit die Konversation. Ich auch nicht, denke ich mir, sage aber nichts. Grinse nur. Arne grinst auch. Ganz freundlich. Er behauptet, daß ihn die Parole am Fenster nicht stört. «Irgendwann mach ich es sicher weg. Irgendwann sicher. Aber nicht sofort. Warum denn? Mich stört es nicht.» Er sei gekommen, um den Brief zu diskutieren. Nur wegen des Briefs sei er gekommen. Nicht wegen des Fensters.
    Uschi, Jan und ich müssen innerlich grinsen. Wie er da sitzt und uns glauben machen will, ihn hätte das alles nicht berührt. Er sei nur gekommen, weil er die Inhalte aus dem Brief diskutieren will. Keiner glaubt ihm das. Arne, der heute am Donnerstag Plenum hätte. Arne läßt einen politischen Termin sausen, um mit mir zu diskutieren. Arne steht einen Tag nach der Sprühaktion vor der Tür. Arne, der sich sonst nach jedem Brief von mir erst mal zwei Wochen Zeit gelassen hat, meine Telefonnummer noch mal zu verlegen. Und dann sich dagegen gesträubt hat, für eine Diskussion mit mir mal ’n Termin eher zu beenden. Arne steht einen Tag später vor der Tür und will mit mir diskutieren und behauptet, ihn würde das alles nicht stören, er käme nur wegen des Briefes. Arne, der heute abend Termin hätte!
    Aber Gott sei Dank habe ich keine Zeit heute. Endlich habe ich mal einen politischen Termin, der mir wichtiger ist als eine Diskussion mit ihm.
    Wir bieten ihm den nächsten Abend an. Ich will, daß Jan und Uschi diese Diskussion mitmachen. Morgen abend haben wir alle Zeit. Aber Arne hat ’n Termin. Kann erst ab neun, halb zehn. Ich werde unfreundlich. Halb zehn ist mir zu spät. Sage ihm, daß ich mich auf neun noch einlassen würde, aber halb zehn sei mir zu spät. Wir einigen uns darauf, daß Arne versucht, so schnell wie möglich hier zu sein. Dann frage ich ihn noch, ob er was dagegen hat, wenn Sabine an der Diskussion auch noch teilnimmt. «Nö!» da hat er nichts gegen. Ich rufe Sabine an. Sie ist nicht da. Schade. Aber nicht so wichtig. Wichtig ist mir im Moment, daß ich in Arnes Gegenwart die Telefonnummer aus dem Kopf wußte. Daß Arne mitkriegt, daß sich zwischen Sabine und mir was abspielt. Und er weiß nicht genau was. Ich möchte zu gerne wissen, was sich in seinem Kopf abspielt, wenn er sagt, das mache ihm nichts aus. Sich demonstrativ so verhält, daß alle Welt mitkriegen muß: Arne ist durch nichts zu verunsichern.
    Uschi und Jan wollten mich sowieso mit dem Auto mitnehmen und mich unterwegs absetzen. Jetzt nehmen wir Arne auch noch mit. Im Auto unterhalten wir vier uns über irgendwelche belanglosen, lustigen Dinge. Ich bestehe darauf, daß ich zuerst zu meinem Termin gefahren werde, weil ich es wichtiger finde, daß ich noch rechtzeitig komme, als daß Arne auf seinem Scheißplenum erscheint.

    Am Freitagvormittag sagt Jan irgendwann beiläufig zu mir: «Du hast ihn geknackt.» Habe ich ihn wirklich geknackt? Wie meint Jan das? — Am Abend sitze ich mit Jan und Uschi beim Abendbrot. Meinen Brief an Arne in der Hand. Eigentlich bin ich viel zu faul, noch was vorzudiskutieren. Arne wollte neun, halb zehn kommen, und es ist schon acht Uhr. Ich will mich vorher noch ’ne halbe Stunde hinlegen.
    Jan und Uschi bohren in mir rum. Ich will nicht. Ich bin müde. Na gut. Bis halb neun. Dann hab ich noch ’ne halbe Stunde, wenn Arne um neun kommt. Aber ich weiß

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