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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Svende Merian
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Huckleberry Finn-Phantasien. Oder wenn ich mich abends ausgezogen habe und ins Bett gehe. Daß ich dann immer die Schultern hochziehe und bibbere. Wie so ’n kleines Kind. Damit käme er nicht klar. Er empfindet eine viel größere Nähe zu seiner letzten Freundin. Und die sei auch viel selbstbewußter als ich. Viel selbstbewußter! (Aufstehen, ausholen und zulangen. Aber kräftig! Für diesen Spruch hat der junge Mann ja nun wahrhaft links und rechts ’n paar an die Ohren verdient.) Ich lasse mir von Männern nicht mehr erzählen, wie selbstbewußt sie mich gerne hätten, wie ich mich zu emannzipieren habe. Was sie selbstbewußt und emannzipiert finden, diese Schweine. Auf Veranstaltungen ans Mikrofon geschubst werden, mit dem Spruch: «Nun geh doch nach vorne und sag was. Emannzipier dich doch mal!»
    Das finden Männer selbstbewußt. Aber wenn frau es wagt, zu Hause im Bett das Selbstbewußtsein an den Tag zu legen, sich gegen männliche Sexualnormen durchzusetzen, oder wenn frau es endlich schafft, die Konkurrenz unter Frauen zu überwinden und sich mit anderen Frauen gemeinsam gegen den Chauvinismus im eigenen Privatleben vorzugehen: Welcher Mann kommt da noch an und sagt: «Das find ich aber selbstbewußt von dir!»???
    Aber ich stehe nicht auf. Hole nicht aus. Lange nicht zu. Ich bleibe sitzen und sage ihm nur ziemlich wütend, daß ich mir von Männern nicht mehr erzählen lasse, was sie selbstbewußt und emannzipiert finden. Daß ich das schon alleine entscheiden kann, wie ich mich emanzipiere.
    Und dann lasse ich Trottel mich auf eine Diskussion über meine Schwächen ein. Spreche über meine Unsicherheiten in meinem Auftreten, weil ich den Mann, der mir gegenübersitzt, immer noch für eine Vertrauensperson halte. Weil ich denke, es kommt an, was ich ihm vermitteln will. Daß ich mich im Grunde für sehr selbstbewußt halte, aber eben auch meine kleinen und großen Unsicherheiten habe. Erzähle ihm von diesen Unsicherheiten. Daß ich immer noch Schwierigkeiten habe mit der Frage: Was bin ich für ’ne Frau? Was will ich für ’ne Frau sein? Wie wirke ich auf andere? Daß ich eine gewisse Naivität in meinem Verhalten auch kultiviere. Vielleicht aus Unsicherheit. Aber auch, weil ich auch fordere, trotz meines sehr jugendlichen Aussehens als erwachsene Frau ernst genommen zu werden. Auch wenn ich dann auch noch einen Hang zur Spontaneität und sehr temperamentvollen Reaktionen habe. Und daß ich manchmal auch sehr bewußt darauf achte, einen ernsten oder weniger ernsten Gesichtsausdruck zu machen.
    Aber es ist natürlich illusorisch zu glauben, es käme das bei ihm an, was ich wirklich denke. Er hat das Bild im Kopf, ich sei eine naive Frau ohne Selbstbewußtsein. Ich habe im Kopf, daß ich eine erwachsene und selbstbewußte Frau mit Schwächen und frauenspezifischen Schwierigkeiten bin. Auf dieser Grundlage erzähle ich ihm von meinen Unsicherheiten. Bei ihm kommen natürlich nur die Unsicherheit und die Schwäche an und fügen sich nahtlos in das Bild, das er sich in seinem hübschen Köpfchen zurechtgezimmert hat. Wenn er es doch auch bei solchen Diskussionen mal zum Denken gebrauchen würde!
    Ich strampel mich ab, ihm zu vermitteln, daß das, was ich heute bin, schon das Ergebnis eines harten Kampfes gegen meine Mädchenerziehung ist. Daß ich jahrelange, schmerzhafte Kämpfe mit mir selber kämpfen mußte, um das Selbstbewußtsein zu erarbeiten, was ich heute habe. Ich will ihm klarmachen, was ich früher alles mit mir habe machen lassen, damit er endlich mal sieht, wo ich herkomme. Meine heutige Persönlichkeit endlich mal vor ihrem historischen Hintergrund sieht und endlich mal zu schätzen weiß.
    Deshalb überwinde ich mich, ihm von meiner Vergewaltigung zu erzählen. Meiner Vergewaltigung, die keine war. Weil ich mich ja nicht gewehrt habe. Wenn Frauen sich nicht wehren, wollen sie ja.
    Der Typ in England, in den ich mich Hals über Kopf verliebt oder so was Ähnliches habe. Weil ich seit Monaten mit Uli zusammen war und immer noch mit keinem anderen Mann gebumst hatte. Ihm doch zeigen wollte, daß ich das auch kann.
    Dieser «John», der nicht so hieß, wie ich ein halbes Jahr später erfuhr, auch nicht arbeitete, wie er mir erzählt hat, sondern von Einbrüchen lebte. Der mich auf den Strich schicken wollte... geschickt hat... Beischlafdiebstahl zu zweit...
    Der mal wieder... mal wieder nicht zur Verabredung kam... ich liege am Strand und heule... es ist schon halb sieben... um sechs waren

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