Der Tod des Maerchenprinzen
bist du denn so hysterisch? Dann hat er eine gescheuert zu kriegen. Das wollen sie mit ihrer Ruhe doch nur erreichen: Daß frau völlig ausklinkt. Und eine schreiende Frau braucht mann nicht mehr ernst zu nehmen. Kann sie in die Schublade «hysterisch» packen. Und vor allem: Die Leute, die die Szene von außen mitkriegen: Die tun’s bestimmt! Darauf kann mann sich verlassen. Egal, wie frau auf ihre Ruhe reagiert. Ob sie still ist oder weiterschreit: In jedem Fall haben die Typen erreicht, daß sie um die inhaltliche Auseinandersetzung rumkommen, wenn sie nur still sind. Arne ist still am anderen Ende der Leitung. Und schafft es, mich damit einzuschüchtern. Ich bin auch still. Wir legen auf.
Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen kann: Arne hat am Sonnabendabend in der Kneipe seine letzte Freundin wiedergetroffen. Zufällig. Und sich mit ihr unterhalten. Und ihr erzählt, daß er in der Zwischenzeit jetzt eine Beziehung hatte, die aber schoß wieder vorbei ist. Und daß er auch ’n bißchen mit rumgeschmust hat. Das kann ich alles noch nicht wissen. Auch nicht, daß er sich Hoffnungen macht, daß die Beziehung zu ihr wieder losgeht.
Und einen Tag später spielt er dann Fußball in Hannover und «vergißt», daß er mit mir verabredet ist. Und ich sitze zu Hause und weiß von nichts. Und abends ruft er mich dann an, daß er nicht mehr raus will, weil ihm sein Rücken so weh tut.
Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen kann: Arne hat nxn selben Sonntagabend bei selbiger letzter Freundin von ihm angerufen und wollte sie zum Essen einladen. Wollte sich mit ihr treffen. Ich habe mir am Sonntagmittag noch gedacht: Wenn es jetzt ein ariderer Typ wäre, hättest du Schiß, daß er bei ’ner anderen Frau versackt ist. Aber bei Arne! Der ist nicht der Typ dafür. War mir ganz sicher, daß ich mir bei Arne nie die Sorgen machen brauche, daß er mir mal kurzfristig mit ’ner anderen Frau wegflippt.
Am Montag kommt Arne schon so gegen zwölf. War gar nicht zur Schule, sondern nur zum Arzt. Ist krankgeschrieben worden. Hat ’ne Bronchitis. Legt sich gleich ins Bett und will schlafen.
Ich muß ihm doch noch irgendwie beipuhlen, daß wir heute abend mit Brigitte zum Beziehungsgespräch verabredet sind. Ich habe Angst, das Thema anzuschneiden. Nachher fragt er nach, und ich muß ihm erklären, was ich da diskutieren will, warum ich das zu dritt will und so. Ich habe Angst. Angst vor so einer Diskussion jetzt. Brauche Zeit, mich darauf einzustellen. Ich kann es ihm ja auch nachher noch sagen, wenn er wieder aufwacht.
Aber ich soll Brigitte doch schon um fünf anrufen. Wenn Arne dann noch schläft!? Ich kann doch nicht so einen Termin abmachen, ohne mit ihm vorher darüber geredet zu haben...
Die Zeit, die Arne schläft, verbringe ich schwitzend. Wie sag ich’s ihm? Wie bring ich’s ihm bei?
Als Arne aufwacht, fange ich ganz zaghaft damit an. Daß ich mich heute abend mit Brigitte und ihm und so...
«Ich weiß», sagt Arne.
Wenn er das die ganze Zeit wußte, hätte er das Thema doch auch mal anschneiden können. Hätte ich gar nicht so zu schwitzen brauchen. Er sagt das so, als wenn er da nichts gegen hat. Er findet das in Ordnung, daß ich mit Brigitte ein solches Gespräch verabrede, ohne ihn vorher zu fragen. Wenigstens etwas. Andere Männer würden aufschreien: Wie kannst du unsere privaten Probleme so in der Öffentlichkeit «rumtratschen»? Das geht keinen außer uns was an. Oder zumindestens hartnäckig darum flehen, doch noch einmal zu versuchen, es alleine zu diskutieren. Arne akzeptiert das einfach so. Er scheint keine Angst davor zu haben. Ich rufe Brigitte an, daß Arne krank ist, ob sie nicht zu mir kommen könnte. Sie möchte auch nicht mehr raus heute. Arne fühlt sich sowieso nicht so gut. Wir verschieben das Gespräch auf Donnerstag. Arne will diese Woche nicht zu Terminen gehen, weil er die verrauchte Luft mit seiner Bronchitis nicht abkann. Raucht auch selber nicht mehr. Als er sich am Nachmittag hingelegt hat, hat er mir gesagt, daß er heute nacht nicht bei mir schlafen will, weil er bei jeder Bewegung solche Schmerzen hat, daß er mich die ganze Nacht stören würde. Alles Sachen, die zeigen, daß Arne wirklich krank ist. Sich also nicht nur vor dem Gespräch drücken will.
Brigitte fragt mich: «Wohnt er denn jetzt bei dir, solange er krank ist?» Ich gebe die Frage an Arne weiter, nicht ohne deutlich zu machen, daß es mich nicht stört, wenn er nachts rumwühlt, und daß ich es
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