Der Tod des Teemeisters
nicht, Meister Oribe.«
»Dabei sind wir beide nun zwanzig Jahre älter.«
»Ich habe mich bemüht, derselbe zu bleiben – habt Dank für Eure Einladung.«
»Auch ich habe das versucht.«
An dieser Stelle fragte ich mich, warum es hieß, Meister Oribe habe die Teezeremonie verändert. Sein Teehaus hatte eine Größe von drei Tatami. In der Tokonoma hing eine Kalligraphie von Meister Rikyū . Bei der Zeremonie verwendete er eine hohe chinesische Teedose, die ich schon einmal gesehen hatte, und eine Karatsu-Teeschale. Alle seine Handgriffe, mit denen er die Zeremonie vollzog, entsprachen genau jenen unseres Meisters. Lag es daran, daß er kräftiger geworden war?
»Es ist lange her, daß ich mit Meister Rikyū zusammensaß«, sagte ich, während ich die Kalligraphie betrachtete. »Als er in Hakone war, habe ich ihn kaum gesehen. Auch wir sind uns selten begegnet, heute ist das erste Mal seit langem.«
»Ich danke Euch für Eure Fürsorge.«
»Ich möchte Euch etwas zeigen.« Herr Oribe verließ den Raum, kehrte aber sogleich zurück. »Etwas, das Ihr noch nicht kennt, Honkakubō .«
Er reichte mir einen Teespatel aus Bambus mit dazugehörigem Kästchen. Ich beugte mich vor, um ihn in Augenschein zu nehmen.
»Er ist das letzte Andenken an Meister Rikyū . In Sakai schnitzte er solche Spatel. Einen davon gab er mir, den anderen Herrn Sansai.«
Unwillkürlich begannen meine Hände zu zittern. Der Spatel war glatt und hatte eine beruhigende, schlichte, unauffällige und bescheidene Form. War Meister Rikyūs letzter Wille in ihn eingegangen? Das Futteral hatte wahrscheinlich Herr Oribe angefertigt. Es war aus Bambus, innen und außen lackiert und hatte ein viereckiges Fensterchen in der Mitte.
»Welchen Namen trägt der Löffel?«
»Tränen.«
»Hat Meister Rikyū ...?«
»Oh, nein, einen solchen Namen hätte er nie gewählt. Niemand verstand es so gut, Namen zu geben, wie er. Sie waren stets frisch und trocken wie eine kühle Brise.« Genauso war es. Beinahe hätte ich ihn gefragt, ob er den Namen ausgesucht habe, hielt mich aber zurück. Wer außer Herrn Oribe wäre auf einen Namen wie »Tränen« gekommen?
»Ich habe gehört, daß Herrn Sansais Löffel ›Leben‹ genannt wird. Andere können sich darunter vielleicht nichts vorstellen. Ich habe ihn noch nicht gesehen. Dennoch finde ich, daß Herr Sansai einen sehr passenden Namen gewählt hat, da er sich täglich einem Andenken gegenüber sieht, das ihm so kostbar wie sein Leben ist.«
Herrn Oribes Worte erstaunten mich. Hieß das nicht, daß der Löffel, den er selbst von Meister Rikyū empfangen hatte, tägliche Tränen für ihn bedeutete? Abermals betrachtete ich das Etui und blickte durch das Fensterchen. Zum ersten Mal kam mir der Gedanke, daß es wie ein Ahnentäfelchen für meinen Meister war. Vielleichtspricht Herr Oribe jeden Tag ein Gebet davor. Zumindest hat er es ganz gewiß zur Zeit Taikō Hideyoshis getan. Demnach war ich also nicht der einzige, der für meinen Meister betete. Wieder mußte ich meine Tränen zurückhalten; ich weiß nicht, ob Herr Oribe es bemerkte.
»Namen zu geben war wirklich seine Stärke. Kennt Ihr die rote Teeschale von Chōjirō mit dem Namen Hayafune – ›Schnelles Schiff‹?« fragte er.
»Dem Namen nach, gesehen habe ich sie allerdings noch nie.«
»Es war im Jahre Tenshō vierzehn oder fünfzehn 23 , ich weiß es nicht mehr genau, jedenfalls ist es lange her, als ich zusammen mit Ujisato und Sansai bei Meister Rikyū aus dieser Schale getrunken habe.«
Sodann erzählte er die Geschichte von der Schale Hayafune.
»Die Zeremonie fand bei Tagesanbruch in der Villa Juraku statt. Drei Gäste waren geladen – Ujisato, Sansai und ich. Damals sah ich die rote Raku-Schale zum ersten Mal. Sie ist eher dickwandig, der Rand ein wenig nach innen gekrümmt, die Standfläche flach. Sie ist innen und außen rotglasiert. Außen ist beim Brennen eine Stelle freigeblieben, die eine blaugrüne Färbung hat, was eine reizvolle Wirkung hervorruft. Die Schale verfügt über eine prachtvolle Würde, die uns allen den Atem nahm. Herr Sansai fragte Meister Rikyū, woher sie käme. Darauf antwortete der Meister, sie sei eigens für diese Zusammenkunft mit einem schnellen Schiff aus Korea geschickt worden.
Ich brauche nicht zu sagen, daß ihr Name Hayafune daherrührt. Eine sehr inspirierte Art, einen Namen zu geben. Meister Rikyū bereitete es stets viel Vergnügen, wenn es ihm gelang, einen passenden Namen zu finden. Es war
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