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Der Tod des Teemeisters

Der Tod des Teemeisters

Titel: Der Tod des Teemeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasoushi Inoue
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...«
    Unweigerlich kam das Gespräch nun auf den Selbstmord meines Meisters. Was hatte er getan, um den Tod zu verdienen? Dreizehn Jahre waren seither vergangen und noch immer kursierten die verschiedensten Gerüchte. Die meisten hatte ich schon irgendwo gehört, aber es gab immer noch einige, die ich nicht kannte. Ich erfuhr mehrere davon aus Herrn Kōsetsusais Mund. Der Inhaber des Daitokuya hörte uns schweigend zu, nickte jedoch hin und wieder oder schüttelte den Kopf. Taikō Hideyoshi ist seit fünf Jahren tot. Ieyasu beherrscht alles. Wir leben in einer Zeit, in der Gerüchte über den Taikō keine Rolle mehr spielen.
    »Weshalb Meister Rikyū sich entleiben mußte? Es gab keinen Grund. Einige sagen, er habe unwissentlich denZorn des Taikō erregt. Andere behaupten, als Günstling habe er sich respektlos gegenüber seinem Herrn verhalten und sei deshalb in Ungnade gefallen. Eine weitere denkbare Erklärung wäre sein Ausschluß aus der Teezunft von Sakai. Man erzählt sich auch, er habe um Neujahr Tenshō neunzehn 19 in der Villa Juraku eine Teezeremonie nur für Ieyasu veranstaltet. Als dies dem Taikō zu Ohren kam, habe sich alles entschieden. Oder dieser habe sich Meister Rikyūs entledigt, da er, den Gemäßigten nahestehend, Unfrieden stiften wollte, um die öffentliche Meinung gegen eine Invasion auf der koreanischen Halbinsel zu beeinflussen. Dann gibt es noch das Gerücht von einer Tochter, die Meister Rikyū angeblich hat, und natürlich die alte Geschichte über das Tempeltor des Daitokuji oder die Sache mit den Wucherpreisen. Das ist Klatsch, der überall von Mund zu Mund geht, aber die geheime Weitergabe zwischen Teemenschen und zwischen Samurai findet natürlich auf einer höheren Ebene statt.
    »Der arme Meister Rikyū . Er kann sich nicht wehren und muß alles über sich ergehen lassen.«
    »Das ist fürwahr bedauerlich. Doch wir können nichts tun. Dabei hat er so viel geleistet.«
    »Aber was ist Eure Ansicht, Herr Kōsetsusai?«
    »Die Frage ist unsinnig. Wenn selbst Ihr es nicht wißt, Bruder Honkaku, wer dann?« sagte Kōsetsusai.
    Er schien zu erwarten, daß ich etwas sagte, aber ich schwieg. Ich konnte nicht anders, denn ich wußte wirklich nicht, was ich hätte sagen sollen.
    Zur letzten Stunde des Affen 20 machte ich mich auf denHeimweg. Die sinkende Frühlingssonne tauchte alles in ihr weißliches Licht. Ich traf auf eine nachbarschaftliche Zusammenkunft, an der zwei oder drei Familien teilnahmen, und schloß mich ihnen an. Als ich anschließend nach Hause kam, war es bereits dunkel.
    Ich zündete mir ein Feuer an und setzte mich davor. In meiner Einsamkeit überkam mich die Sehnsucht, Meister Rikyū gegenüberzusitzen.
    »Ihr seid gewiß müde«, sagte ich zu ihm. Sogleich kam eine Antwort.
    »Ja, ein wenig. Die Welt ist wahrhaftig anstrengend. Ganz gleich, ob man am Leben ist oder tot ...«
    »Soll ich Tee für Euch bereiten, Meister?«
    »Trink du nur zuerst. Ich werde später ein wenig nehmen. Der Mond scheint aufgegangen zu sein.«
    »Ihr seht traurig aus.«
    »Nein, ich bin nicht traurig. Du hast es heute selbst gesagt, Honkakubō, in Kargheit und Kühle liegt keine Traurigkeit.«
    »Ihr seid einst einen langen Weg gegangen. Dort habe ich von Euch Abschied genommen, Meister.«
    »Ich erinnere mich. Es war gut, daß du so entschlossen umgekehrt bist. Von der Teezeremonie kann man nicht leben. Zu Meister Jōō s Zeit ging es noch, aber danach reichte es nur für mich und Sōji.«
    »Hat Bruder Sōji wirklich sein Ende vorausgeahnt?«
    »Was spielt das noch für eine Rolle? Tot oder lebendig, kümmere dich nicht um Yamanoue Sōji. Ob er keine Ohren und Nase hat oder tot ist, beides kann einem Mann des Tees nur recht sein.«
    »Erinnert Ihr Euch an den seltsamen Abend im Teeraum des Myōkian?«
    »Ja.«
    »Außer Euch war noch Yamanoue Sōji anwesend.«
    »Ja.«
    »Und der andere?«
    »War da noch jemand?«
    »Ja, da saß noch ein dritter.«
    »Aber der Platz war doch leer.«
    »Nein, es saß jemand da.«
    »Hör jetzt auf damit. Da saß niemand. Stell dir vor, wen du willst. Irgend jemanden, der dir paßt. Such dir einen aus, Honkakubō, und hör auf. Ich werde nun Tee für dich bereiten. Wie ich es irgendwann schon einmal in der Villa Juraku getan habe.«
    An dieser Stelle brach mein Meister das Gespräch ab, und ich hörte nichts mehr.

DRITTES KAPITEL
    Über Furuta Oribe
    Erster Teil
    Am Dreizehnten des zweiten Monats im fünfzehnten Jahr Keichō 21 war ich bei Furuta Oribe in

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