Der Tod des Teemeisters
Eroberung Kyūshūs und andere Schlachten hielten ihn ständig in Atem, gleichwohl fand er noch Zeit, das riesige Kitano-Teefest auszurichten.
Damals war Hideyoshi in einem Alter, in dem er geradezu vor Kraft strotzte. Sein größtes Bestreben hatte er nahezu verwirklicht, so daß ihm nichts anderes zu tun blieb, als seinen überschäumenden Tatendrang auf dieEroberung anderer Länder zu richten. Er war damals um die fünfzig, also im besten Mannesalter.
Ich erinnere mich nicht mehr ganz genau, aber etwa einen oder anderthalb Monate vor dem bewußten Datum wurden allerorts Schilder mit folgender Ankündigung aufgestellt:
»Ab dem Ersten des zehnten Monats soll im Kiefernhain von Kitano zehn Tage lang eine Teezeremonie stattfinden. Alle – arm und reich, jung und alt, Städter und Bauern – sind ohne Ansehen ihres Standes dazu eingeladen. Jeder, der einen Kessel, einen Eimer und eine Schale besitzt, ist willkommen. Wer keinen Tee hat, bringt geröstetes Gerstenmehl mit. Die Teeplätze umfassen zwei Tatami, wer keine besitzt, für den genügen Strohmatten. Die Einladung gilt nicht nur für japanische Freunde des Tees, auch Fremde sind willkommen.«
Ich weiß noch, daß Meister Rikyū viele Tage sehr beschäftigt mit den Vorbereitungen für dieses bisher in seiner Größe unerreichte Ereignis war. Die Ankündigung allein genügte nicht, man mußte sie auch in die Tat umsetzen und, was noch wichtiger war, das Fest zu einem Erfolg machen. Die ganze Angelegenheit muß Meister Rikyū und seinen Kollegen Sōkyū und Sōkiu großes Kopfzerbrechen bereitet haben, denn Hideyoshi war nicht leicht zufriedenzustellen.
Zwei oder drei Tage vor dem festgesetzten Termin begleitete ich meinen Meister zum Kiefernhain in Kitano. Auf dem freien Gelände um den Schrein hatte man in dichten Reihen Teeklausen errichtet, zwischen denen geschäftiges Treiben von Handwerkern und Lastenträgern herrschte. Adlige und Bürger, Teemeister aus Sakai und Nara – sie alle errichteten eigene Teehäuser nachihrem jeweiligen Geschmack. Die Beamten, die die Verteilung der Parzellen regelten, hatten alle Hände voll zu tun.
Der Bereich von der Sutrenhalle bis zum Shokai-in, dem Kiefernmeer-Tempel, war über und über mit kleinen Teepavillons bedeckt. Ihre genaue Zahl kenne ich nicht, aber es müssen achthundert bis tausend gewesen sein. Unmittelbar vor dem Hauptschrein hatte man vier Teehäuschen für den Taikō aufgestellt, umgeben von einer Bambuseinfriedung.
Hier bereiteten die Meister Rikyū, Sōkyū und Sōkiu am Ersten des zehnten Monats Tee für eine nicht abreißende Schlange von Menschen. Als sie ihre Arbeit gegen Mittag einstellten, hatten sie achthundertdreißig Gäste bewirtet.
Jeder der vier Pavillons beherbergte eine Anzahl berühmter Kunstgegenstände aus dem Besitz Hideyoshis. Ich kann Euch nur die nennen, die unter Meister Rikyūs Obhut waren – den großen Sutego-Topf, eine Teedose aus Narashiba, eine Tenmoku- und eine koreanische Teeschale, ein geschwungener Teespatel, der Spülwasserbehälter Takotsubo, eine Deckelablage aus Bambus, eine Bildrolle von Gyokkan mit Wildgänsen am Strand, ein Eimer aus Bronze, eine Seladon-Blumenvase, eine bauchige Teedose – ausschließlich erlesenste Stücke.
Liebend gern hätte ich mir auch die Gegenstände in den Pavillons des Taikō oder der Herren Sōkyū und Sōkiu angeschaut, was leider nicht möglich war, da das ursprünglich auf zehn Tage angesetzte Große Teefest von Kitano bereits nach dem ersten Tag abgebrochen wurde. Der Grund für das jähe Ende wurde nicht bekanntgegeben, sicher war nur, daß nach diesem einen Tag schonalles vorbei sein sollte. Es war ganz natürlich, daß die achthundert oder tausend bedeutenden und unbedeutenden Menschen, die eigens aus Kyōto, Nara oder Sakai herbeigeströmt waren und ihre Teehütten errichtet hatten, völlig verwirrt waren und fürchteten, etwas Unheimliches sei geschehen.
Die große Teezeremonie endete also nach einem Tag. Doch schon die ganze Idee sah Hideyoshi ähnlich. Niemand sonst wäre auf den verwegenen und extravaganten Gedanken gekommen, die größten Teemeister im Kiefernhain zu Kitano zu versammeln, alle berühmten Teegerätschaften des Landes herbeizuschaffen und sie ihnen zur Verfügung zu stellen.
Laut Ankündigung wünschte er, daß hoch und niedrig und arm und reich sich ohne Unterschied bei seinem Großen Teefest vergnügten. Wenn auch das verfrühte Ende enttäuschte, so war Hideyoshi doch schon am Nachmittag des
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