Der Tod des Teemeisters
lassen, um Euch möglichstgetreu auch die naive, fast kindlich mutwillige Seite Hideyoshis zu schildern.
Ich möchte die gleiche Geduld aufbringen, mit der mein Meister die große Neujahrszeremonie zu Anfang des fünfzehnten Jahres Tenshō ertrug. Hideyoshi besaß zwei völlig verschiedene Gesichter. Einerseits liebte er es, in aller Ruhe in einem kleinen schlichten Raum Tee zu trinken, andererseits genoß er es, seine Teemeister in barschem Ton herumzukommandieren und lärmende Feste zu veranstalten. Die zweite Vorliebe konnte unerträglich sein, was ihm hin und wieder wohl bewußt war. Allerdings muß man ihm zugute halten, daß diese pompösen Teegesellschaften auch dazu dienten, seine Gefolgsleute bei der Stange zu halten, damit sie sich nicht von ihm lossagten und ihn möglichst zahlreich in die Schlachten begleiteten. Ohne dieses taktische Gespür wäre aus einem gewöhnlichen Fußsoldaten wie ihm gewiß kein Kanpaku oder gar Taikō geworden.
Meister Rikyū muß seinen Herrn gut gekannt und ihm geholfen haben. Wenn dieser die Kaufleute von Sakai brauchte, umwarb er die Teemeister aus Sakai, aber sobald er die Kaufleute von Hakata brauchte, hofierte er die Teemeister aus Hakata. Ich glaube, mein Meister akzeptierte diese Seite Hideyoshis, ohne sich besonders darüber zu ärgern. Der Taikō war eben der Taikō und die Teezeremonie die Teezeremonie, und er sah die beiden streng getrennt voneinander. Er bediente sich der Macht Hideyoshis, um dem Weg des Tees zu noch mehr Größe zu verhelfen, worüber der Taikō sich gewiß im klaren war.
Ich glaube, alle Gäste der Zeremonie anläßlich der neuen Tee-Ernte, die fünf Tage später folgte, waren auch zur großen Neujahrszeremonie Tenshō fünfzehn geladen:Furuta Oribe, Takayama Ukon, Yamanoue Sōji und viele andere in der Teekunst bewanderte edle Herren.
Während ich Euch den überfüllten Saal beschreibe, in dessen Mitte sich der so eigentümlich prächtig gewandete Hideyoshi befand, steigen immer mehr Einzelheiten aus der fernen Vergangenheit in mir auf. Ich sehe, wie Ishida Mitsunari die Tischchen herumträgt und Sumiyoshiya Sōmu Tee bereitet. Kamiya Sōtan und Hosokawa Yūsai erheben sich, und Hideyoshi schreitet lachend und mit ausladenden Gebärden umher. Eine Szene nach der anderen erscheint auf meiner inneren Laterna Magica. Dennoch wirken diese Bilder auf eine gewisse Weise leer und traurig, was vielleicht daher rührt, daß die meisten dieser Männer inzwischen von uns gegangen sind. Die größte Leere und Traurigkeit jedoch geht von Hideyoshi aus. Wozu diese grelle und bizarre Gewandung? Rührt dieser Anschein von Leere und Traurigkeit wirklich nur daher, daß all dies dreißig Jahre zurückliegt? Der Taikō, den man seinerzeit in alle Himmel hob, hat heute keine Bedeutung mehr. Wie kommt das? Ungeachtet aller Prachtentfaltung, der langen fließenden Gewänder, seiner offenen Haare mit dem gelbgrünen Band und seiner roten Schärpe, ist sein Haus, seine Familie, ausgestorben, die Hälfte seiner Anhänger ist tot, die andere Hälfte zum Feind übergelaufen. Ich will Euch auch nicht verschweigen, was aus Ishida Mitsunari geworden ist. Wie konnte er, der so leutselig die Gäste bedient hatte, nur auf diese Weise enden? Gewiß, er kämpfte bei Sekigahara auf der Verliererseite, aber seine Enthauptung war doch zu grausam. 44
Die Bilder namenloser großer und kleiner Lehnsfürsten, denen es nicht anders erging, gleiten an mir vorüber. So vieler harrte ein grausames Los – in der Schlacht bei Sekigahara und bei der Belagerung von Ōsaka im Winter wie im Sommer. Gewiß ist der eine oder andere entkommen, aber wie viele mußten ihr Leben lassen! Doch auch von jenen, die sich zu retten vermochten, weilt kaum noch einer unter uns. Irgendwie neige ich zu einer negativen Sicht dieser Dinge. Wie gesagt, ich weiß genau, daß der Taikō seine Mitmenschen in vielem überragte, andererseits kann ich meine Abneigung gegen ihn nicht überwinden.
Unbedingt berichten muß ich Euch von einer weiteren Teezeremonie, die Hideyoshi veranstaltete. Sie war die größte und fand in Kitano am Ersten des zehnten Monats Tenshō fünfzehn statt. Ihr seid Tenshō sechs 45 geboren,
das heißt, Ihr wart damals erst neun oder zehn und habt vielleicht nicht viel von der Aufregung in Kyōto über das gewaltige Spektakel bemerkt.
In den zehn Monaten nach der besagten Neujahrszeremonie war der Taikō außerordentlich beschäftigt. Der Feldzug nach Osten in die Kantō-Ebene, die
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