Der Tod des Teemeisters
achtundzwanzig Jahre später, wollte ich es auch nie wissen. Den Grund für Meister Rikyūs Tod zu kennen, hätte ihn auch nicht wieder zum Leben erweckt. Ich habe es immer für ein Unglück gehalten, aber worin dieses Unglück bestand, dem bin ich nie nachgegangen. Nur meine Wut und mein Haß auf den Taikō, der diesen Tod befahl, sind nie erloschen. Doch wie ich Euch anfangs schon sagte, habe ich mich bemüht, mich nicht von Rachegelüsten überwältigen zu lassen.
Es ist ganz natürlich, daß Ihr, Herr Sōtan, etwas über die Zeit Eures Großvaters Rikyū und seinen Charakter wissen möchtet. Als ich neulich abends in meine Klause zurückgekehrt war, fragte ich mich zum ersten Mal ernsthaft – wahrhaftig zum ersten Mal –, warum mein Meister ein so entsetzliches Ende finden mußte. Ich konnte es selbst kaum glauben. Vielleicht liegt es daran, daß die Ereignisse nun bereits achtundzwanzig Jahre zurückliegen? Ich will versuchen, Euch zu erzählen, was mir in jener Nacht durch den Kopf ging. Natürlich weißich nichts Genaues über den Tod von Meister Rikyū . Zumindest jedoch will ich Euch an den Gedanken eines Mannes teilhaben lassen, der bis zu dem Ereignis vor achtundzwanzig Jahren zehn Jahre in Meister Rikyūs Diensten gestanden hatte.
Es ist wohl keine richtige Antwort auf Eure Frage, aber ich will mit den Teezeremonien beginnen, die etwa ein halbes Jahr vor Meister Rikyūs Tod in der Villa Juraku stattfanden.
Neulich habe ich Euch, lieber Herr Sōtan, einige der Gerüchte erzählt, die über die Gründe für den Selbstmord Eures Großvaters im Umlauf waren. Die Sache mit der Statue im oberen Stock vom Tor des Daitoku-Tempels, der Handel mit überteuertem Teegerät, Hideyoshis Unwillen über die Machtanmaßung der Teemeister von Sakai, Meister Rikyūs angebliche Verbindungen zu Gegnern des Koreafeldzugs und so fort, eben die Dinge, die mir in den seit dem Ereignis vergangenen achtundzwanzig Jahren immer wieder zu Ohren gekommen sind. Daß diese Gerüchte bis heute nicht verstummt sind, liegt wahrscheinlich daran, daß sie alle ein gewisses Körnchen Wahrheit in sich tragen. Doch selbst wenn irgendeines davon sich belegen ließe, wäre das Rätsel dennoch nicht gelöst.
Sonderbarerweise scheint niemand zu wissen, wo Meister Rikyū sich getötet hat. In Sakai oder in der Hauptstadt ...? Mir fehlt jede Möglichkeit, diese Frage zu beurteilen, ich kann nicht einmal eine Meinung dazu äußern. Doch allein die Gerüchte zu hören, erfüllt mein Herz stets aufs neue mit Trauer.
Wenn überhaupt jemand etwas über die wahren Hintergründevon Meister Rikyūs Tod wußte, dann waren es Hosokawa Sansai und Furuta Oribe. Dennoch glaube ich es eigentlich nicht. Furuta Oribe habe ich vor seinem Ableben noch zweimal gesehen, und er machte nicht den Eindruck, als wüßte er etwas. Statt dessen fragte er sich unablässig, warum mein Meister nicht um Gnade ersucht habe. Und am Ende hat er sich dann selbst getötet, ohne um Gnade zu bitten. Hosokawa Sansai bin ich nie begegnet und kenne daher seine Ansichten nicht, aber er weiß sicher auch nichts, andernfalls wäre es bei aller Verschwiegenheit längst ans Licht gekommen. Meister Rikyū, der sich töten mußte, und der Taikō, der ihm den Befehl dazu erteilte, sind tot. Unter der Herrschaft der Tokugawa hat sich die Welt sehr verändert. Ich glaube nicht, daß Herr Sansai den Grund für den Selbstmord, wenn er ihn denn kannte, so dauerhaft hätte geheimhalten können. Und wenn er nichts weiß, kann niemand mehr aufdecken, was Hideyoshi so erzürnt hatte – und von Zorn kann man wohl sprechen, immerhin befahl er Meister Rikyū, sich zu töten. Überdies paßt die ganze Sache zu Taikō Hideyoshi, wenn man bedenkt, daß nicht einmal der Grund für den jähen Abbruch des Großen Teefestes von Kitano bekannt wurde.
Wie gesagt, habe ich in der Nacht, nachdem ich bei Euch war, zum ersten Mal ernsthaft über die Umstände nachgedacht, die zu Meister Rikyūs Tod geführt haben könnten. Dabei kamen mir sofort die Teezeremonien in den Sinn, die Meister Rikyū von Herbst Tenshō achtzehn 46 bis zum Beginn des darauffolgenden Jahres in Hideyoshis Villa Juraku abhielt.
Bis dahin war ich stets überzeugt gewesen, Meister Rikyū habe seinen baldigen Tod geahnt und damals eine Abschiedszeremonie nach der anderen veranstaltet, um seinen ahnungslosen Freunden Lebewohl zu sagen. Doch in jener Nacht habe ich meine Ansicht revidiert und glaube nun, daß Meister Rikyū nichts von seinem
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