Der Tod des Teemeisters
ersten Tages überall umherspaziert und hatte die Vielzahl der auf dem Schreingelände errichteten Teepavillons besichtigt. Dabei blieb er immer wieder stehen, um einem Teefreund die einmalige Gunst seiner Aufmerksamkeit zu erweisen. So betrat er das Geviert eines Mannes namens Ikka aus Mino und bat leutselig um eine Schale Tee. Oder er bewunderte den Einfallsreichtum eines gewissen Hechikan, der einen großen rotlackierten Sonnenschirm in seiner Schilfeinfriedung aufgestellt hatte. Später erzählte man sich, der Schirm habe mit seinem leuchtenden Glanz alle in Erstaunen versetzt. Die Begeisterung für solche Einfälle gehörte ebenfalls zu den Eigenschaften des Taikō .
Dennoch erging wenig später der Befehl, alles abzubauen und den Kiefernhain wieder in seinen ursprünglichen Zustandzurückzuversetzen. Er wurde unverzüglich ausgeführt.
Niemand schien zu wissen, was den Taikō dazu veranlaßt hatte, auch Meister Rikyū nicht.
Noch lange danach kursierten die verschiedensten Gerüchte über das jähe Ende des Großen Kitano-Teefestes. So hieß es, durch die ungeschickte Politik des Feldmarschalls Sasa Narimasa sei in Higo plötzlich ein Aufstand losgebrochen, und die Nachricht davon habe den Taikō am ersten Tag des Großen Teefestes erreicht. Anderen Gerüchten zufolge hatten die Teemeister aus Sakai, die das Fest organisiert hatten und zu denen auch Meister Rikyū gehörte, durch irgend etwas den Unwillen des Taikō erregt. Dann wieder hieß es, Teegerätschaften seien abhanden gekommen. Oder man habe einen Attentäter gefaßt. Letztlich verliefen all diese Gerüchte im Sande. Fest stand am Ende nur, daß das Große Teefest aus unbekanntem Grund abgebrochen worden war.
Doch heute, zwei- oder dreiunddreißig Jahre später, erscheint es mir so gut wie sicher, daß Hideyoshi sein Großes Teefest tatsächlich wegen der Erhebung in Higo beendete, nachdem ihn am ersten Tag die Nachricht davon ereilt hatte.
Es ist nur eine Vermutung von mir, aber ich glaube, Hideyoshi war mit Leib und Seele Krieger, und wer sich gegen ihn auflehnte, den mußte er bezwingen. Koste, was es wolle. Vielleicht weckte die unerwartete Nachricht von dem Aufstand in Higo sein wahres Ich? Und die Teekunst war ihm in diesem Augenblick einerlei? Dies spricht für das Herausragende des Taikō als Krieger, will ich meinen. Aber wer kann das wissen?
Er war kein Mensch, der anderen Einblick in sein Herz gestattete.
Ich glaube nicht, daß sich viel geändert hätte, wenn das Große Teefest seinen geplanten Lauf genommen hätte. Der Aufstand in Higo wäre so oder so bald niedergeschlagen worden. Aber damit konnte der Taikō sich nicht zufriedengeben. Sobald man ihn herausforderte, gestattete er es sich nicht mehr, Teegesellschaften zu geben. In seiner Siegessträhne und Kampfeslust konnte er sich nicht gestatten, Teegesellschaften zu geben. So gab es für ihn nur eins, glaube ich: das Große Teefest augenblicklich zu beenden.
Wie damals in der seltsamen Gewandung bei der Neujahrszeremonie Tenshō fünfzehn, zeigte sich der Taikō auch beim Großen Teefest plötzlich mit offenem Haar, als käme er geradewegs aus der Schlacht.
Um der Lage Herr zu werden, blieb ihm nichts anderes übrig, als die Besucher nach Hause zu schicken und alle Pavillons sofort abreißen zu lassen. Ich glaube, der Taikō war so ein Mensch. Immer wieder setzte er sein Leben aufs Spiel, um sich in neue Eroberungszüge zu stürzen, und das nicht nur in Japan. Es drängte ihn auch, fremde Länder zu überrennen. Und wenn jemand die Regungen im Herzen dieses geborenen Kriegers verstand, war es Meister Rikyū, der selbst sein Leben für die Teekunst einsetzte.
Aber auch das sind nur Spekulationen, und ich kann mich täuschen.
Damit habe ich Euch im großen und ganzen alles berichtet, was ich über die Teegesellschaften von Taikō Hideyoshi weiß, die von meinem Meister geleitet wurden.Ich würde mich glücklich schätzen, wenn meine Schilderungen Euch etwas nützen, wenn Ihr Unbrauchbares aussondert.
Bei Eurem letzten Besuch habt Ihr mich noch gefragt, aus welchem Grund Meister Rikyū den Befehl zum Selbstmord erhielt. Die Antwort auf diese bedrückende Frage übersteigt die Fähigkeiten eines einfachen Mönches wie ich und läßt sich nicht mit wenigen Worten geben. Viele Gerüchte sind im Umlauf, die meisten davon kennt Ihr, aber es war Euer Anliegen zu wissen, was ich darüber denke.
Damals lehnte ich es ab, Euch zu antworten. In Wahrheit weiß ich nichts. Bis heute,
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