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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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daraus Folgerungen gezogen, die nicht nur falsch waren, sondern auch der Textorschen Sache geschadet hätten.
    Einige Tage nach meinem Besuch auf Pertach bekam ich von Alexander einen Brief, der mich noch mehr verwirrte, ohne daß ich darin eine Spur fand, die mich aus dem Irrgarten meiner Vermutungen herausgeführt hätte. Der Brief hatte folgenden Wortlaut:
    »Lieber Onkel Paul, ich schreibe Dir diese Zeilen, weil ich eine sehr merkwürdige Entdeckung gemacht habe. Ich kehrte gestern abend beim >Botenwirt< ein, einesteils, um dem Dorfgeschwätz die freie Brust zu bieten, anderenteils, um ein Bier zu trinken, denn der Tag war heiß. Deine Großzügigkeit, die ich gar nicht hoch genug einschätzen kann, gestattet mir solche Genüsse. Bei dieser Gelegenheit kam ich mit Fräulein Kathi Pröbstl, bei der Du einen schweren Stein im Brett hast und als echt noblichter Kaffalier und Baron in hohem Ansehen stehst, ins Plaudern. Dabei holte sie aus dem recht umfangreichen Brustlatz ihrer Schürze ein Foto hervor, auf dem Herr Manueli abkonterfeit war. Weshalb sie es auf dem Busen trägt, weiß ich nicht, hege aber meine Vermutungen. Zu meiner nicht geringen Überraschung stellte ich fest, daß ich Manueli schon gesehen habe! Es gibt gar keinen, aber auch nicht den geringsten Zweifel, daß er es war, der mir zwei Tage, bevor er hier ermordet wurde, auf Schloß Wartaweil begegnet ist. Ich habe mit ihm sogar ein paar belanglose Worte gewechselt. Die Sekretärin von Wartaweil, ein Fräulein Steffi Langlotz, allgemein Pinke genannt, weil sie uns die spärlichen Kröten von daheim in kleinen Portionen aushändigt, führte ihn durch die Gemeinschaftsräume und auch durch ein paar Studierbuden, darunter meine, die ich mit einem Kameraden teilte. Die Pinke erklärte uns, Herr Manueli, der sich aber in Wartaweil Porta oder Borden nannte oder so ähnlich, habe einen Sohn, den er gern in einem Landschulheim unterbringen möchte, da er selber fast ständig auf Auslandsreisen sei. Und Manueli — oder wie er sich bei uns nannte — stellte an mich und an Klaus Michaelis, meinen Zimmerkumpel, ein paar Fragen, wie es uns auf der Schule gefiele, wie das Essen sei, ob wir viel Sport trieben und ob wir auch Zeit für uns selber hätten, na, eben die üblichen Fragen, die besorgte Eltern stellen, wenn sie ihre Söhne ins Zuchthaus bringen wollen. Und dann verschwand er wieder. Verstehst Du nun, lieber Onkel Paul, daß es mich fast umhaute, als mir Manuelis Bild, aus Kathis Brustlatz gezaubert, so plötzlich in das Gesicht sprang? Was hältst Du davon, und was sagst Du dazu? Vimmy und Hansi habe ich nichts davon erzählt. Sie beginnen zwar, sich wieder halbwegs normal zu benehmen, aber wenn ich das Gespräch auf Manueli und den Mord im >Botenwirt< bringe — und ich muß Dir leider gestehen, daß es mich einfach juckt, das Thema immer wieder anzufassen — , dann ist es, als würde bei Vimmy und bei Hansi und auch bei Sofie eine Art Notbremse gezogen. Gott soll mich davor bewahren, auch nur in Gedanken daran zu rühren, Vimmy könnte etwa... Nein, ich schreibe es lieber nicht hin. Sie kann nicht mal einen Aal halten oder einem Hecht eins auf den Schädel hauen, und wenn Sofie ein Huhn schlachtet, dann wird ihr schlecht. Aber irgendein Geheimnis ist dahinter. Und ich kriege es heraus! Solltest Du, lieber Onkel Paul, überflüssige Fünfmarkscheine im Hause haben, dann weißt Du ja, wo ein Sammler und Abnehmer dafür sitzt. Es ist Dein treuer Alexander. PS. Vimmy und besonders Hansi und natürlich auch Sofie ließen Dich sicherlich herzlich grüßen, wenn sie wüßten, daß ich an Dich schreibe. Wenn Du mir etwas mitzuteilen hast, so schreibe ohne Absenderangabe ruhig ins Schlößl, meine Post unterliegt, seitdem ich mit Paps deswegen den großen Rabatz hatte, keiner Zensur. Das wäre ja auch noch schöner! Nochmals grüßt Dich Dein A.« Der reichlich rotzige Stil dieser Epistel amüsierte mich einigermaßen, um so weniger der Inhalt. Er warf nur neue Fragen und Rätsel auf, die ich nicht zu beantworten und nicht zu lösen vermochte. Manueli auf Wartaweil? Es war kaum zu glauben oder zum mindesten unwahrscheinlich, daß der Grund, den er auf Wartaweil für seinen Besuch angegeben hatte, der Wahrheit entsprach. Ich läutete in der Abendstunde Veitl an und fragte ihn, ob er mir aufgrund der späteren Untersuchungen sagen könne, ob Manueli verheiratet gewesen sei. Veitl antwortete mir prompt, daß er die Vernehmung der Miss Arabella selber

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