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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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protokolliert habe und daß sie, die es doch eigentlich hätte wissen müssen, angegeben habe, Manueli sei immer ledig gewesen, und es existierte ihres Wissens auch keine geschiedene Frau von ihm. Und er steuerte noch aus dem Schatz seiner Menschenerfahrung bei, daß Männer von Manuelis Anziehungskraft auf die Weiblichkeit, die sich bei gewissen Achenreuther Weibspersonen noch bis über seinen Tod bemerkbar mache, doch wohl schon saudumm sein müßten, wenn sie sich freiwillig ins Joch spannten, anstatt wie Schmetterlinge an jeder Blüte zu nippen, die sich ihnen gern und willig öffne. Diese schmerzlich poetische Betrachtung ging anscheinend auf Kathi, die der wackere Veitl gern wie ein Schmetterling besucht hätte, und auf seine eigene Ehe, die nicht allzu glücklich zu sein schien.
    Ich dankte ihm, hängte ein und starrte auf Alexanders Handschrift, die für einen Zwanzigjährigen merkwürdig schülerhaft und ohne eigene Prägung wirkte, und stand mit Veitls Antwort der Lösung des Rätsels so fern wie je zuvor. Aber es bohrte in mir so nachhaltig, daß ich die Konzentrationsfähigkeit für meine Arbeit verlor. Die Figuren eines Romans, an dem ich seit längerer Zeit arbeitete, bekamen ein gefährliches Eigenleben, sie glitten mir aus, gingen Wege, die nicht vorgesehen waren, und drohten, das ganze kunstvolle Gebäude einer Handlung von kristallklarer Logik zu zerstören. Ich war mit mir und der Welt äußerst unzufrieden.
    Das war um die Zeit, als im Tropenhaus des Botanischen Gartens die Victoria regia blühte. Seit meiner Studienzeit nahm ich stets eine Jahreskarte für den Botanischen Garten und verbrachte, ob nun Hyazinthen, Tulpen, Rhododendron, Rosen oder tropische Gewächse dort blühten, ganze Tage darin, schreibend, zeichnend, lesend oder eben nur das Auge an der Pracht der Farben sättigend. Die Entspannung und Anregung, die mir ein paar Stunden im Palmenhaus oder der Anblick der glühenden und pastellzarten Kompositionen des Rhododendronhanges schenkten, war unvergleichlich; und ich verstand oftmals die Menschen nicht, die an diesen Wundern vorübereilten, um kostspielige Urlaubstage in überfüllten Gebirgsdörfern und an menschenwimmelnden Seeufern zu verbringen. In dem mächtigen, bizarr angelegten Tuffsteinbassin spiegelte sich auf dunkler Wasserfläche ein Stück Amazonaslandschaft; die Schwerter des Gamaloteschilfes, bleiches Pfeilkraut und wucherndes Curcuma, eine Mauer von dornigem Rotang, besteckt mit den schmetternden Flammen der Begonien, purpurnen Catleyen und braunen Arazeen; an den bis zur Glaskuppel strebenden Urubuspalmen rankte sich eine Wirrnis von Lianen, bartähnlichen, lau tropfenden Tillandsien und abenteuerlichen Baumfarnen; in dem Bassin schwammen kuchenblechförmig die Riesenblätter der Victoria regia und auf ihnen, schwanenweiß wie ein Gebilde von einem anderen Stern, die rasch vergängliche, ungeheure Blüte. Ich nahm auf einer der tief versteckten Bänke Platz, atmete die tropisch feuchtwarme Luft mit ihrem Schöpfungsaroma nach Fäulnis, Sumpf, Zimt und Vanille ein und bevölkerte diese äquatoriale Landschaft in meiner Phantasie mit ihren Geschöpfen: blitzenden Kolibris, rosigen Flamingos, bunten Papageien, grünen Aramacaos und blauroten Guacamayos, aber ich versagte den Affenherden und Vogelschwärmen meiner Phantasie die Stimme und hütete mich auch, in dieses lautlose Paradies die Kehrseite der Tropen, rote Feuerameisen, blutgierige Moskitos, lauernde Giftschlangen, Karibenfische, schnappende Kaimane und hämmernde Ferrerofrösche hineinzusetzen. Und ich spürte, daß ich in jenes Alter vorzurücken begann, in dem man dem Abenteuer den Genuß ohne Reue vorzuziehen anfängt...
    »Nun, lieber van Doorn, auch mal wieder auf Urwald-Expeditions-Ersatz?« fragte der Mann, dem ich seit Tagen auszuweichen mich bemühte. »Sie gestatten doch?«
    Es war Kriminalrat Eugen Wildermuth, der die Passion für den Botanischen Garten mit mir teilte. Wir hatten uns vor etwa zehn Jahren sogar im Palmenhaus kennengelernt. Ich hätte mir eigentlich denken können, daß er die Blüte der Victoria regia, diese zwei Tage, in denen sie sich strahlend wie ein Traum entfaltete, um bald schleimig faul zusammenzusinken, nicht versäumen würde. Ich rückte zur Seite und schüttelte ihm die Hand.
    »Ich war schon gestern hier«, sagte Wildermuth und deutete mit dem Kinn in die Richtung des Bassins, »aber die Blüte war noch nicht voll erschlossen.«
    Er streckte die Beine und versenkte sich in

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