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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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verdankte, war auf der Aufnahme natürlich nicht festzustellen. Das Gesicht, in dem sich zwei scharfe Falten von den Nasenflügeln in die Wangen kerbten, war mager und von einer gewissen diabolischen Schönheit. Ich konnte Kathi verstehen, daß ihr der Atem schneller ging.
    »Und dabei war er nicht die Spur hochmütig oder eingebildet«, seufzte sie. »Wie er das Mittagessen und den Kaffee bezahlt hat, da hat er gesagt, er zahle nur, wenn es durchaus sein müßte, und wenn schon, dann nähme er das Geld lieber von mir als aus seinem Geldbeutel — und plötzlich hat er mir die Markstücke aus der Nase gezogen, daß sie nur so über den Tisch gescheppert sind — und dann hat er eine Handbewegung gemacht, so...« Kathi spreizte die Finger und warf die Hand vor. »Und dann war das ganze Geld vom Tisch verschwunden, und ich spürte es ganz eiskalt auf der Haut...« Sie kicherte in der Erinnerung an die Kälte und preßte beide Hände gegen den Busen. »Stellen Sie es Ihnen vor, Herr Baron, da war es drin! Und der Herr Manueli hat gelacht und hat gefragt, ob er mir vielleicht helfen soll, es wieder herauszuholen — na, so was!«
    »Ein echter Zauberer!« sagte ich tief beeindruckt.
    »Und ein fescher Mensch!« murmelte sie erschauernd. »Einen halben Kopf größer als Sie und dieselben schicken grauen Schläfen.«
    Ich tippte mit dem Finger auf das Bild von Miss Arabella oder Fräulein Emilie Keckeisen, wie die junge Dame mit ihrem bürgerlichen Namen hieß.
    »Wann hat das Fräulein das Haus verlassen?«
    »Gegen Mittag, als die Beamten mit den Untersuchungen und Vernehmungen fertig waren. Sie ist mit dem Staatsanwalt mit seinem Wagen nach Altenbruck gefahren, natürlich freiwillig und weil Altenbruck die Bahnstation ist. Das Auto von Herrn Manueli stand noch einen Tag bei uns im Schuppen und ist dann von zwei Polizisten abgeholt worden. Ein sehr schöner, neuer Wagen.«
    »Das waren aufregende Tage, wie?«
    »Mei, Herr Baron, zuganga is ’s wie im Wespennest! Die Bauern haben die Feldarbeit liegen lassen und san im Nebenzimmer umeinandergehockt, als hätten s’ Pech am Hintern. Die Gaststube hier war nämlich vom Staatsanwalt mit Beschlag gelegt worden. Und die Weiber haben sich die Nasen an den Fensterscheiben plattgedrückt. Und droben auf ihrem Zimmer hat das Fräulein geschluchzt, weil der Staatsanwalt sie zuerst recht g’schert angeschnauzt hat, als ob sie es g’wesen wär’, die wo den Mord verübt hätte. Und dann sind die Reporter von der Zeitung gekommen und haben umeinandergeblitzt. Es war halt für das Bauernkaff eine richtige Sen-sa-ti-on! Wissen S’, Herr Baron, ich bin nämlich in Landshut daheim...«
    Es klang, als wolle sie damit sagen, daß solche Sensationen in Landshut an der Tagesordnung wären. Ich zahlte meine Zeche, Kathi ließ das Geld in die Ledertasche unter der Schürze klingeln und begleitete mich, als ich mich erhob, zur Tür, und als hätte sie die Absicht, mir noch etwas besonders Tröstliches auf den Heimweg mitzugeben, sagte sie: »Also, daß die Frau Textor es gewesen sein soll, die den Herrn Manueli umgebracht hat, das glaub’ ich nie und nimmer! So eine feine und schöne Frau — eine richtige Tameh!« Und in dem scharfen T statt des D und der Überbetonung der zweiten Silbe lag die ganze Hochachtung, die Kathi für Victoria Textor empfand.
    »Um Himmels willen, wer schwätzt denn bloß diesen Blödsinn daher?« rief ich entsetzt darüber, daß dieser Klatsch im Dorf schon weite Verbreitung gefunden zu haben schien.
    »Die Leut halt...« murmelte sie und öffnete mir die Tür.
    Ich trat aus der säuerlich riechenden Gaststube ins Freie. Der Himmel hatte sich leicht verschleiert, das Enzianblau war einer bleiernen Tönung gewichen, aber noch schien die Sonne und warf meinen Schatten lang über die helle Straße. Das Dorf war leer, die Leute arbeiteten noch auf den Feldern, nur die Alten dösten auf den Bänken vor den Häusern, warteten auf etwas, das nie geschah, und wärmten die verknoteten Hände und die gekrümmten Schultern im Licht. Ich ging an der Mauer entlang, schritt durch das breite Tor und stand eine Weile in dem großen leeren Hof, dessen riesige Stallungen noch aus der Zeit stammten, als der »Botenwirt« Raststation sechsspänniger Salzfuhrwerke gewesen war. Die Sonne blendete auf dem tennenartig festgewalzten Kies, Schwalben schossen sirrend durch die golden getönte Luft und flitzten durch die offenen Scheunentore zu ihren Nestern. In der Nähe dengelte jemand

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