Der Tod des Zauberers
übertrieben haben. Es ist wirklich ein zauberhafter Besitz. Auch ohne die kostbare Inneneinrichtung wäre Pertach genau das, was ich mir für meine alten Tage als Buenretiro wünsche...«
Er sprach im leichtesten Plauderton, aber ich kannte ihn zu lange und zu gut, um nicht zu wissen, daß er nie aufmerksamer und hintergründiger war, als wenn er sich ganz unbefangen gab.
»Eine entzückende Frau, Ihre Freundin Victoria Textor. Ich hätte nicht geglaubt, daß es diesen vollendeten Typus der Dame heutzutage noch gibt. Man begegnet ihm leider nur noch in sehr alten Exemplaren. Ich würde Textor nicht nur um seinen Besitz und um seine Kostbarkeiten, sondern auch um diese Frau beneiden, wenn ich nicht selber das Glück hätte, mit einer bezaubernden Frau verheiratet zu sein.«
Er legte den Kopf zurück und fixierte über seinen langgestreckten, ein wenig zur Fülle neigenden Körper hinweg die Spitzen seiner Schuhe. »Verständlich, daß Frau Textor in Anbetracht des Unfalles ihres Gatten keinen sehr glücklichen Eindruck machte. Aber darüber hinaus schien sie mir von einer fast krankhaften Nervosität befallen. Ist Ihnen das bei Ihren Besuchen auf Pertach auch aufgefallen?«
Ich hätte viel darum gegeben, jetzt nach meinem Etui greifen und mir eine Zigarette anzünden zu dürfen. Leider war das Rauchen im Palmenhaus streng verboten und wurde mit augenblicklichem Hinauswurf geahndet.
Ich versuchte auszuweichen: »Als ich Frau Textor sah, stand sie noch völlig unter dem Schock der Unglücksnachricht...«
»Nun ja«, murmelte er und wiegte den hohen Schädel mit dem rötlich-flockigen Haarbelag zwischen den Schultern, »inzwischen hat sich Textors Zustand aber doch wesentlich gebessert.«
»Nicht so sehr, daß die Ärzte ihm mit absoluter Sicherheit die volle Bewegungsfähigkeit für die Zukunft garantieren können — das heißt seiner Frau garantieren können, denn ihm gegenüber sind sie natürlich so zuversichtlich, als wäre sein Unfall eine Bagatelle gewesen.«
»Hm, schlimm für einen Mann, der sein Leben lang unterwegs war und eigentlich unterwegs sein muß.«
»Ja, gewiß, es wäre eine Katastrophe für Textor, wenn dieser Unfall ihn in seiner Beweglichkeit behindern würde. Ganz abgesehen von der seelischen Belastung. Er war für sein Alter von einer erstaunlichen Elastizität. Ein Gummiball, körperlich und geistig...«
Wildermuth rümpfte die Nase. »Für einen Mann wie Sie kein allzu glücklicher Vergleich... Gummiball, das ist ja scheußlich. Aber sagen Sie, lieber van Doorn, will Frau Textor während Textors Krankheit oder Behinderung, wenn wir es so ausdrücken wollen, seine Geschäfte wahrnehmen?«
»Das ist mir nicht bekannt. Ich kann es mir auch kaum vorstellen. Ich fürchte nämlich, daß Vicky vom praktischen Kunsthandel nicht viel versteht. Es ist ein kleiner Unterschied, ob man schöne Dinge ästhetisch schätzen kann oder ob man ihren Verkaufswert bestimmen soll — aber weshalb fragen Sie?«
»Oh...«, antwortete er mit einem langgezogenen Laut und hob die braunen Basedowaugen zu den Kronen der Urubupalmen, die mit ihren farnartigen Blättern die Glaskuppel wie Riesenhände berührten, »weil Frau Textor eine Verlängerung ihres im nächsten Monat ablaufenden Reisepasses beantragt hat.«
Ich hatte das Gefühl, er spiele mit mir Katz und Maus, und um diesem Spiel, bei dem ich mich in der unangenehmen Rolle der Maus bewegte, ein Ende zu machen, verließ ich die gewundenen Pfade, auf denen sich Wildermuth an mich heranpirschte.
»Sie bearbeiten den Fall Manueli, nicht wahr?«
Mein direkter Vorstoß schien ihm nicht recht ins Programm zu passen, aber mit der Wendigkeit, die ihn bei seinen Verhören so erfolgreich machte, schaltete er um und verließ die Rolle des heiteren Plauderers, in der er sich so lange gefallen hatte.
»Ja«, sagte er in schärferem und kühlerem Tonfall, »ich bearbeite den Fall Manueli. Und ich gestehe Ihnen, lieber Freund, daß ich außerordentlich überrascht war, in den Akten dem Namen von Frau Victoria Textor zu begegnen. Unter Umständen zu begegnen, die mir nicht sehr glücklich erscheinen.«
Die feuchte Wärme des Palmenhauses beengte mich plötzlich, die teigige Luft machte mir das Atmen schwer, und das Blütenwunder der Victoria regia vor meinen Augen erschien mir maßlos und geil. Wildermuth hüstelte. »Der Staatsanwalt in Altenbruck hat Frau Textor die Verlängerung ihres Reisepasses verweigern müssen«, sagte er sehr akzentuiert, »und ich sehe
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