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Der Tod des Zauberers

Der Tod des Zauberers

Titel: Der Tod des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Augenblick nicht näher erläutern kann. Im Augenblick ist mir nur wichtig, wie es Herrn Textor geht!«
    Ein kurzes Zögern, als ob er sagen wolle, den Kriminalratstitel könne sich am Telefon jeder zulegen — aber dann kam doch die Antwort: »Er ist noch bewußtlos, aber das Herz spricht auf Cardiazol an. Wenn Sie es wünschen, rufe ich Sie nach einer Stunde wieder an. Ihre Nummer, bitte?«
    Das war wohl seine Rückversicherung, keinem Unberufenen Auskunft zu geben.
    Wildermuth nannte sie ihm und nochmals seinen Namen.
    »Haben Sie Hoffnung, ihn durchzubringen, Herr Doktor?«
    »Ich kann es Ihnen im Augenblick nicht sagen. Die Symptome der Vergiftung sind äußerst schwer. Die Magenaushebung hat keine Anhaltspunkte für die Menge der Tabletten gegeben, die er geschluckt hat. Sie wissen oder Sie wissen vielleicht auch nicht: die letale Dosis liegt bei fünf Gramm. Das entspricht etwa zehn Tabletten. Aber er kann mehr gesammelt haben, wenn er es schon seit längerer Zeit darauf abgesehen hatte. Nun, wir werden sehen, was sich tun läßt. Ich läute Sie nach einer Stunde wieder an. Und unterlassen Sie es bitte, inzwischen die Klinik anzurufen. Wir sind sehr beschäftigt.«
    Er hängte ein, und ich reichte meinen Hörer Wildermuth hinüber. Der zog die Mittelschublade seines Schreibtisches auf und brachte eine Fünfzigerkiste zum Vorschein, aus der er sich eine Zigarre auswählte.
    »Ich kann natürlich leicht sagen, daß Sie sich nicht beunruhigen sollen«, meinte er und schnitt seiner Brasil sorgfältig die Spitze ab. »Textor steht mir nicht persönlich nah. Trotzdem sollten Sie versuchen, Ihre Gedanken abzuschalten und die entscheidende Stunde ohne Nervosität abzuwarten.«
    Er reichte mir Feuer für meine Zigarette und setzte mit dem gleichen Zündholz seine Zigarre in Brand.
    »Also Textor behauptet, Manueli erschossen zu haben«, sagte er nach den ersten Zügen, mit denen er den Brand der Zigarre reguliert hatte, um einen gleichmäßigen Aschenkegel zu erzielen.
    »Hm, sein Tatbericht deckt sich mit unseren Untersuchungsergebnissen und Hypothesen bis auf einen Umstand, der mir neu ist und der meines Wissens in den bisherigen Vernehmungen nicht zur Sprache gekommen ist.«
    Er durchblätterte die Akte, an der er bei meinem Eintritt in sein Büro gearbeitet hatte.
    »Es handelt sich um Textors Behauptung, er habe dem Hausknecht des >Botenwirt< ein größeres Trinkgeld gegeben, um ihn betrunken zu machen. Wir nahmen so lange an, Textor sei um diese Stunde schon weit von Achenreuth entfernt gewesen. Die Aussage dieses Mannes wird eine entscheidende Rolle spielen, sowohl für die Untersuchung als auch für Textor selbst. Sie verstehen, mein Lieber: denn dieses Trinkgeld und sein Zweck schlössen eine Affekthandlung aus und wiesen auf vorbedachten Mord — ganz abgesehen von der langen Zeit, die zwischen dem Vorsatz und der Ausführung der Tat lag.«
    Er neigte den Kopf schief, um das Zifferblatt meiner Uhr deutlicher zu erkennen, die mein Ärmel gerade nicht verdeckte.
    »Viertel nach zehn... Man könnte Veitl noch an den Apparat bekommen.«
    Er drückte auf einen Klingelknopf, der mit drei anderen auf einem kleinen Schaltbrett an der rechten äußeren Schreibtischkante angebracht war, und wenige Sekunden später betrat einer seiner Beamten das Zimmer, der sich im Nebenraum aufgehalten hatte.
    »Rufen Sie dringend Achenreuth an, Herr Stelzenmüller, und beauftragen Sie den Oberwachtmeister Veitl, sofort den Hausknecht des >Botenwirt< zu vernehmen, ob er an dem Abend, an dem Borda-Manueli erschossen wurde, von Herrn Stephan Textor, dem Besitzer des Georgischlößls auf Pertach, ein größeres Trinkgeld bekommen hat. Auch der Zeitpunkt, an dem er es erhielt, ist mir wichtig. Ich erwarte Veitls Antwort umgehend und direkt an meinen Apparat. Sagen Sie ihm, daß er seinen Bericht spätestens in einer halben Stunde durchzugeben hat.«
    Der Beamte, der Zivilkleidung trug, verschwand und schloß die schalldicht gepolsterte Tür. Wildermuth wandte sich wieder den Blättern zu, die ich ihm übergeben hatte, und verbrachte einige Minuten mit ihrem Studium. Seine Kopfhaut schimmerte weiß durch die schlackenfarbige, rötlichgraue Wolle, die seinen hohen Turmschädel bedeckte.
    Der völlig irrsinnig gewordene Nachtfalter machte mich so nervös, daß ich ihn einfing und das Fenster öffnete, um ihn hinauszuwerfen. Aber im gleichen Augenblick, in dem ich auf meinen Platz zurückkehrte, war er wieder da, er oder ein anderer, der sich

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