Der Tod hat eine Anhängerkupplung: Ein Campingkrimi (German Edition)
er sagte: »Es passt alles nicht zusammen.«
Juliana beugte den Kopf leicht zu ihm, als wenn sie ihn dann besser hören könnte, dabei wusste Piet ganz genau, dass sie jede Silbe verstand, die irgendwo in der Wohnung gesprochen wurde. »Immer langsam mit den alten Damen«, sagte sie. »Was passt nicht?«
Piet trank noch einen Schluck aus der eiskalten, jetzt fast leeren Flasche und stellte sie häkeldeckchenschonend auf dem Rand des Beistelltisches ab. »Beim Coen war Eifersucht das Motiv und abgrundtiefer Hass die Triebfeder. Der Mörder ist sehr sorgfältig vorgegangen und hat vorher genau geplant. Er muss sich lange vorbereitet haben. Die deutsche Frau ist erst vor vier Tagen angereist.«
»Aber sie war vorher schon mal auf dem Platz?«, fragte Juliana.
»Ja, schon einige Male. Aber trotzdem: Was hat diese arme Frau mit der Geschichte zu tun?«
Juliana wiegte ihr weißes Haupt. »Vielleicht hatte Coen was mit ihr, und der Täter sieht sich als irgendeine moralische Instanz. Fanatiker hat es immer gegeben.«
»Wir können beide nicht mehr fragen – und Seitensprünge macht man nun mal heimlich!«
»Hatte sie ein Handy? Haben Sie die SMS und die Anrufliste überprüft?«
»Juliana, Sie verblüffen mich.«
»Wieso? Ich bin zwar über neunzig, aber das Leben wird nicht alt. Das Leben ist immer heute. Sie haben heute in genau dem Nachtjournal einen anderen Bericht gebracht. Da ging es darum, dass in den Niederlanden die meisten Beziehungen in die Brüche gehen, weil das verräterische Handy irgendwo achtlos liegen gelassen wurde.«
Piet nickte und musste schmunzeln. »Wenn diese Beziehung vor dem Aus stand, dann hätte sich dieser Herkrath einen Oscar als bester Hauptdarsteller verdient. Nein, der hat nicht gelogen, das glaube ich nicht. Aber wir werden sein Handy kontrollieren. Das kann ja nie schaden.«
Juliana schüttelte energisch den Kopf. »Wenn ich an die-se ganzen Scheidungen denke, nur wegen so einem Telefon. Wissen Sie? Vertrauen ist eine schöne Sache, man sollte das nicht kontrollieren. Warum sollte man Vertrauen mutwillig zerstören? Ich habe früher jahrelang Tagebuch geführt, und ich bin mir ganz sicher, mein Mann hat niemals darin gelesen.«
»Hätte er denn etwas finden können?«
Ein amüsiertes Lächeln spielte um Julianas altersschwache Augen. »Wo denken Sie hin! Nein! Ich war doch fast immer treu wie Gold. Aber er hätte es sowieso nicht getan, und das ist der Punkt. Alfred Nobel hat sein riesiges Vermögen gestiftet, als er verstand, was seine Erfindung anrichten kann. Forscher müssen forschen, aber ihre Entdeckungen machen sie nicht glücklich. Wer Vertrauen hat, forscht besser nicht.«
»Das gilt aber nicht für die Polizei«, stellte Piet fest. »Für uns ist die Suche nach der Wahrheit das tägliche Brot. Ich werde gleich morgen früh die Handys von beiden überprüfen lassen. Wahrscheinlich ist das sogar schon längst passiert, also lasse ich mir die Ergebnisse geben. Dann werden wir wieder alle verhören, aber in drei Tagen ist Samstag, und die Hälfte der Campingplatzbesatzung wird sich am frühen Morgen verabschieden. Und wenn alle weg sind, dann werde ich eins ganz sicher wissen: Herkrath hat seine Freundin nicht umgebracht.«
»Sie haben die Personalien von allen?«
»Ja klar!«
»Sie sind sicher, es war derselbe Täter?«
Piet runzelte die Stirn. »Darüber habe ich natürlich nachgedacht. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass man einen Täter in so kurzer Zeit so genau imitieren kann. Wenn die deutsche Frau erschossen worden wäre oder erwürgt, dann würde ich glauben, es sind zwei verschiedene Geschichten, aber so?«
Juliana führte ihr Weinglas an die Lippen und nippte kleine Spatzenschlückchen.
Piet stand auf und setzte sich wieder hin. »Oder derselbe Täter hat zwei verschiedene Geschichten! Vielleicht gibt es einen besonders verwerflichen Grund, warum die Frau getötet wurde.«
»Sie ahnen gerade etwas. Was ist es?« Julianas Augen leuchteten auf.
»Tja, das ist mein Problem. Ich habe keine Ahnung, ich habe nur so ein Gefühl. Aber ich glaube, ich bin gerade einen Schritt weitergekommen. Und wenn wir einen Schritt gehen, dann sind wir ihm vielleicht ganz dicht auf den Fersen.«
Er öffnete die zweite Bierflasche nicht. Juliana schien noch nicht müde zu sein. Und er war sogar hellwach, hellwach und krückenkaputt. Er wusste jetzt, dass ihm nur noch zwei Tage blieben, und vor diesen zwei Tagen brauchte er jetzt Schlaf, ob er müde war oder
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