Der Tod hat eine Anhängerkupplung: Ein Campingkrimi (German Edition)
nicht: »Juliana, ich gehe jetzt schlafen. Sie auch, nicht wahr?«
»Natürlich, sonst kommt ja die Polizei!«
Er gab Juliana einen Kuss auf die Wange, so galant, wie er konnte, und verließ ihre Wohnung. Eine erstaunliche Frau, dachte er. Vielleicht hätten wir uns wirklich fünfzig Jahre früher treffen sollen.
Auf der Treppe lachte er kurz auf. So ein Blödsinn, damals war er drei!
Donnerstag
39
Die Pferde, die beim traditionellen Ringrijden auf Walcheren zum Einsatz kommen, sind riesige Kaltblüter, prächtig herausgeputzt und geschmückt mit Schleifen. Die Reiter jagen, ganz in Weiß gekleidet mit roten Schärpen, mit einer Lanze in der Hand im gestreckten Galopp auf kleine Ringe zu. Die Ringe sind so klein, dass man nicht mal ein Hühnerei hindurchbugsieren könnte. Diesen kleinen Ring gilt es nun mit der Lanze zu durchstechen. So was lieben die Menschen auf Walcheren. Wahrscheinlich geht die Tradition auf alte Ritterturniere zurück, verbrieft ist jedenfalls, dass diese Turniere seit dem siebzehnten Jahrhundert auf der Halbinsel abgehalten werden, und fast genauso lange haben Pfarrer und Kirchenräte etwas dagegen, weil dabei auch meist eine Kirmes veranstaltet wird, auf der reichlich Alkohol fließt.
Ich habe jetzt acht Ringrijden auf Camping de Grevelinge erlebt, und ich kann das Ansinnen der Geistlichen nachvollziehen, aber nicht gutheißen.
Im einundzwanzigsten Jahrhundert findet in jedem Ort auf Walcheren mindestens einmal im Sommer ein Ringrijden statt. Wenn man einen Seismographen dabeihat, kann man leicht herausfinden, wo das gerade passiert, denn so ein Kaltblut-Belgier im gestreckten Galopp kann auf der nach oben offenen Richterskala schon einiges ausrichten. Hat man keinen Seismographen dabei, geht man zu Wim in die Rezeption, der hat alle Termine notiert.
Das Turnier hatte begonnen. Der weiße Reiter auf dem beigefarbenen Riesenzossen gab seinem Pferd die Sporen. Er galoppierte direkt auf unseren Wohnwagen zu, verwechselte das Vorzelt mit einem Doppeloxer und trampelte in unseren Wohnwagen, direkt in den Gang zwischen Küchenzeile und Mittelsitzgruppe …
Dann wurde ich wach.
Ich hatte einige Schwierigkeiten, die Augenlider auseinanderzubekommen, dann sah ich, dass es Tristan war, der sich geräuschvoll im Wohnwagen zu schaffen machte. Er zog sich an, kramte eine Einkaufstasche aus dem Staufach über der Sitzgruppe und verließ den Caravan. Sieg! Er ging Brötchen holen, aber warum? Irgendetwas stimmte nicht an diesem Donnerstagmorgen.
Ich stand auf und ging erst mal nicht duschen. Ich warf den Bademantel über und setzte die Senseo-Maschine in Gang. Die mittlere Taste hörte nicht auf zu blinken, kein Wasser. Ich tapste über die Trittbretter aus Bankirai-Holz zu unserem Waschhäuschen und füllte den Tank.
Die Idee mit der Kaffeemaschine ist von Gerd und Uschi. Man schmeißt nur ein Pad in die Maschine, drückt auf einen Knopf und erhält einen wirklich brauchbaren Kaffee. Ich hatte mich für die Geschmacksrichtung Rio de Janeiro entschieden. Aus dem Wohnwagen waren keine Geräusche zu vernehmen. Anne und Edda schliefen wohl noch tief und fest. Ich legte die Frühstücksbrettchen auf den Tisch, suchte noch drei Tassen heraus und holte alles aus dem Kühlschrank, das nach Aufschnitt, Käse und Marmelade aussah, dazu natürlich De Ruijter -Schokostreusel und vier kleine Trinkjoghurts für die Darmflora.
Ich hörte das Bremsen von Tristans Fahrrad. Er kam ins Vorzelt, warf die Brötchen und die Zeitung auf den Tisch und setzte sich mir gegenüber, vorwurfsvoll schweigend.
»Guten Morgen, mein Sohn.«
Tristans Unterlippe zuckte. »Jetzt tu nicht so!«
»Wie soll ich nicht tun?« Ich wusste, was mich nun erwartete. Tristans Unterlippe neigte in den letzten Monaten häufig zur Aktivität. Ich bin Profi-Vater, ich sehe so was.
»Tu nicht so, als könnten wir hier jetzt ein Gespräch unter Männern führen!«
»Und warum können wir das nicht?« Ich gab mich weiterhin völlig ahnungslos.
»Ihr schiebt mich die ganze Zeit durch die Gegend«, zischte Tristan. »Jetzt ist hier endlich mal was los auf diesem Platz, und ich werde immer nur weggeschickt. Okay, Edda ist erst zwölf. Aber ich bin vierzehn. Hier sind zwei Morde passiert, und ich will auch wissen, was hier los ist.«
Ich seufzte schwer. »Tristan, mir wäre es lieber, wir hätten alle nichts davon mitbekommen. Ich wünschte, hier wäre alles so wie in den
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