Der Tod heilt alle Wunden: Kriminalroman (German Edition)
Entschiedenheit ließ es das Mädchen auf keine Diskussion ankommen, sondern sagte nur: »Gut, aber das Fenster stand einen Spaltbreit offen.«
»Ach ja? Damit hast du dir gewaltsam Zutritt verschafft, ich könnte dich deswegen belangen. Was machst du hier überhaupt?«
»Ich hab darauf gewartet, befragt zu werden«, sagte Minnie.
»Wie bitte?«
»Das haben Sie doch gemacht, oder? Die Zeugen befragt? Na ja, ich war doch auch bei dem Grillfest. Ich bin eine Zeugin.«
Wo die Kleine recht hatte, hatte sie recht, dachte sich Novello. Die Kinder standen nicht auf Clara Breretons Gästeliste. Und Wield hatte es nicht bemerkt. Wie auch? Aber Novello lief ein leichter Freudenschauder über den Rücken, dass sogar der alte Super-Sarge seine kryptonischen Momente hatte.
Aber das stellte sie auch vor ein Problem. Die Vorschriften sahen vor, dass die Befragung in Anwesenheit eines Erziehungsberechtigten und vorzugsweise von einer besonders dafür ausgebildeten Beamtin vorgenommen wurde. Voraussichtliches Ergebnis:
nada.
Aber das war Wields Problem. Oder Pascoes, wenn er auftauchte.
Konnte ja nicht schaden, wenn sie mal ein wenig vorfühlte …
»Okay, raus mit der Sprache, Kleine. Was hast du gesehen?«
Minnie verdrehte die Augen, als strengte sie ihr Erinnerungsvermögen an. Oder ihre Phantasie.
»Hör zu, Kleine«, sagte Novello, »es geht nicht darum, dass da ein Verrückter mit einer Axt rumgelaufen ist. Was uns weiterhilft, sind die ganz gewöhnlichen Sachen, solange sie der Wahrheit entsprechen. Du bist zum Schwimmen gegangen, oder?«
»Stimmt.«
»Du und wer noch?«
»Paul, das ist mein Bruder, und die Heeley-Zwillinge – Lynn und Larry, und Tony Jebb.«
Novello machte sich Notizen.
»Wie alt sind die?«
»Die Zwillinge sind neun, Tony ist elf.«
»Also älter als du.«
»Ja, aber ich kann besser schwimmen«, feuerte Minnie zurück.
»Toll. Und von den Erwachsenen?«
»Mr. Jebb, Tonys Dad. Und Miss Lee. Mr. Jebb hat den Souvenirladen. Miss Lee ist Akupunkteurin. Sie ist Chinesin oder so was, glaub ich. Ach ja, und der Dad der Zwillinge, Mr. Heeley, ist Tischler.«
Novello war beeindruckt, wie bereitwillig das Mädchen nützliche Informationen herausrückte und wie leicht ihr
Akupunkteurin
über die Lippen kam, aber schließlich war sie ja auch Tom Parkers Tochter. Sie sah auf ihrer Liste nach. Jebb wurde von Seymour befragt. Heeley gehörte ihr, Miss Lee war Bowler aufgetragen worden.
Das hieß, dass ihre Kollegen irgendwann feststellen sollten, dass auch Kinder auf dem Fest gewesen waren. Wie würde Wield reagieren, wenn man ihm sagte, er hätte etwas übersehen? Das sollte vielleicht am besten einer der anderen herausfinden.
»Waren sie auch beim Schwimmen? Die Erwachsenen, meine ich.«
»Nein. Die haben nur rumgesessen und sich unterhalten. Als das Gewitter gekommen ist, haben sie uns rausgerufen. Das war doof. Die anderen hatten Angst, aber ich hätte es richtig cool gefunden, wenn wir weiter hätten schwimmen können, wenn es blitzt und donnert. Schwimmen Sie auch? Sie sehen so aus, als könnten Sie es.«
»Ach ja? Soll das heißen, dass ich schlank und silbrig bin wie eine Forelle? Oder breit und speckig wie eine Robbe?«
»Na ja, Sie sehen stark aus«, sagte das Mädchen vorsichtig.
»Das kannst du wohl glauben. Okay, ihr musstet also aus dem Wasser. Und dann?«
»Wir sind den Felspfad hochgelaufen. Charley ist runtergekommen, um uns zu holen, sie hat mich und Paul gepackt, und dann sind wir ins Haus gerannt, und Charley hat uns nach oben gebracht, um uns abzutrocknen, und dann hat sie uns oben in einem der Fenster sitzen lassen, damit wir das Gewitter anschauen können.«
»Das war aber nett von ihr. Du magst Charley?«
»Sie ist toll. Sie wird meinen Onkel Sidney heiraten, wissen Sie das?«
»Wirklich? Nein, das habe ich nicht gewusst. Sie kennt ihn schon lange?«
Minnie überlegte. »Nicht
sehr
lange. Und es ist ein Geheimnis, Sie sollten es vielleicht nicht weitererzählen.«
Charley war erst seit einer Woche hier und hatte laut eigener Aussage die Parker-Familie nicht mehr als drei Tage zuvor kennengelernt, daher sagte Novello: »Ist das eines dieser Geheimnisse, von denen noch nicht einmal Charley und dein Onkel Sid was wissen?«
»Kann schon sein«, sagte das Mädchen.
»Dann werde ich es definitiv für mich behalten. Okay, ihr habt das Unwetter beobachtet. Und dann?«
»Dann, als es vorbei war, sind wir runter zu Mum gegangen, und alle sind nach draußen, und dann
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